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Die Mappe meines Urgrossvaters

Die Mappe meines Urgrossvaters

Titel: Die Mappe meines Urgrossvaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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herunter kömmt, zeigt großen Dank und große Zufriedenheit, daß es so ist. Wenn der Bube Lust und Geistesvermögen hat, lasse ich ihn vielleicht künftig unterrichten, und er mag mein Amt antreten und wirken und sorgen.
    Ich kam, da die schönen langen Sommertage dauerten, oft zu dem Obrist hinauf, und er oft zu mir herunter. Er sah alle Dinge, die bei mir in der Arbeit waren, wir redeten von den verschiedensten Sachen, saßen manchmal auf meinem Sommerbänklein unter der schönen Fichte beisammen, oder gingen in dem Walde herum, oder waren bei ihm in dem Garten, oder in der Stube, in der er die Bücher hat.
    Von Margarita sagte er nie ein Wort. Ich fragte auch nicht.
    So verging endlich der Sommer, so verging der Winter, und es kam der nächste Sommer.
    Wie wunderbar, wie reizend doch die Natur ist. In jenen Tagen, da die Wärme sich recht lieblich neu aufschloß, was alle Jahre geschieht und was uns alle Jahre wie ein Wunder wohl thut, stand ich vor dem Vogelkirschbaume, der mit einer unermeßlichen Anzahl der reinsten und weißesten Blüthen beladen war - so weiß, wie sonst gar nichts in der Welt, außer etwa der Schnee, oder öfter der Ränderglanz der fernen beleuchteten Sommerwolken, wenn sie hinter dem dunkeln Walde hervorstechen - ich stand, und hatte zum ersten Male den Gedanken, den ich eigentlich schon längst hätte haben sollen; wie der Baum erstlich der Blüthen wegen da ist, und wie zweitens aus diesen weißen Blümlein dann die schwarzen Kirschen entstehen, die wieder so schwarz sind, wie die Blüthen weiß, nehmlich so schwarz, wie nichts anders in der Welt. Wie die Natur diese starke Gegenstellung macht, und sie allezeit verbindet durch die sanften grünen Blätter. Wenn die Frucht vorüber ist, werden die Blätter roth und gelb und braun, und bekommen allerlei andere glänzende Farben.
    Da ich dann von dem Garten in den Hof ging, schauten mich die Herdsteine, die Dachsteine, und andere, die ich von der Hütte meines Vaters hatte nehmen lassen, und die in die Gartenmauer eingesetzt waren, recht freundlich an, wenn auch mancher verwittert, und mancher fast dunkelschwarz war. Ich habe nehmlich die Gartenmauer nicht tünchen lassen, damit nicht immer der unliebe weiße Strich in den grünen Farben des Thales stehe.
    In dem Sommer habe ich auch, was mir schon früher einmal in den Sinn gekommen ist, das achteckige Eckzimmer meines Hauses wie zu einer Hauskapelle einzurichten begonnen. Ich bekam den Gedanken, daß das Bildniß der heiligen Margarita als Schutzherrin darinnen stehen müsse, dann werden jedes Sommers am dreizehnten Julius Abends zwei große Wachskerzen brennen. Ueber die Fenster sollte doppelte mattweiße Seide gespannt werden, daß in der Hauskirche so sanfte Dämmerung sei, wie in der großen. - -
    Auch mit den Menschen ist es mir anders geworden. Es sind mir die Augen aufgegangen, daß viele um mich wohnen, die ich zu beachten habe. Ich bin mit diesem und jenem zusammen gekommen, ich habe dieses und jenes geredet, habe Rath gegeben und empfangen, und habe von den Schicksalen der Welt erfahren: wie sie hier leben, wie sie dort leben, wie sie hier Freude haben und dort leiden und hoffen. Und überall, wie sich die Fluren hindehnen, schlagen allerlei Herzen von Menschen und Thieren, und blicken allerlei Augen - aber alle bauen sie an einem kleinen Orte der Fluren einen Wohnplatz, wie ich, über dessen Rand sie kaum hinaus sehen auf die andern, die überall leben. - -
    So verging mir ein Tag wie der andere, so verging eine Jahreszeit nach der andern - und so wandelte die ganze Zeit. -
    Es waren endlich drei Jahre dahin, seit der Obrist allein in dem Haghause wohnt. - - -
    O Vater, o Mutter, daß ihr nicht mehr lebt, um zu sehen, wie sich eure Hütte verändert hat - und auch ihr, Schwestern, daß ihr nicht mehr seid, um es zu schauen! Das Haus steht nunmehr fertig, und die Sonne scheint auf sein glänzend Dach hernieder - der Garten schreitet in die Weite, und die Fruchtbäume, einst das Eigenthum der Nachbarn, stehen schön darinnen, und jetzt besser gepflegt, lassen sie wie in Dankbarkeit die Last ihrer Aeste bis zu meinen Fenstern herüber schimmern. Ich schreite von Gemach zu Gemach, aber einsam - nur eine heilige Margarita steht jetzt schon auf dem Hausaltare, und grüßt mich, wenn ich eintrete, mit dem goldenen Schimmer. - Die Luft des Abends weht in den weißen Fenstervorhängen, und umfließt mich Wandelnden, während sie von dem Hofe herein die Hufschläge meiner jungen Pferde

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