Sternenfaust - 143 - LOODOON (1 of 2)
Die frühe Abenddunkelheit lag schwer wie Blei über dem Hafen. Das dicke Wasser des Flusses schwappte mit eintöniger Regelmäßigkeit gegen die Stützpfeiler halb verfallener Hütten. Der Fluss war begrenzt von einer ganzen Reihe solcher Häuser, deren Gerippe wie mahnende Silhouetten in den Abendhimmel stachen. Eine Mauer ragte, halb zerfallen, am Ufer hoch, davor ein schmutziger Graben. Alte Holzpfähle, an denen Stoffreste und im Gaslicht der wenigen Laternen grün aussehende, schmierige Überbleibsel des letzten Hochwassers, flatterten, ragten aus dem Schlamm und dem Kot.
Wenn ein toter Mann ins Wasser fällt, macht er kein Geräusch , dachte die Frau, nicht hier, nicht in diesem Fluss. Es war ein guter Abend für tote Männer. Blut und Erbrochenes besudelten die kleinen Seitenstraßen, irgendwo splitterte Glas. Sie lehnte sich unter einem Torweg an eine Mauer.
Der Blick der Frau glitt hinüber zur Brücke, über die sich die Menschenmassen und die Fuhrwerke wälzten, alle auf dem Weg nach Hause. Über ihr kreisten Luftschiffe aus Holz und Stoff, angetrieben von pumpenden Dampfturbinen. Der Gestank von Holz und Kohle lag in der Luft und hatte sich über Loodoon gestülpt wie ein schimmeliger Teppich.
Vor ihr erstreckte sich eine Uferregion, die überwuchert war mit bizarren verrosteten Gebilden wie unförmige Urwesen, die der Schlamm geboren hatte. Dampfkessel, Röhren, Ruderschaufeln, Windmühlenflügel. Einmal meinte sie gar, eine Taucherglocke aus dem Schlick ragen zu sehen.
Dieses Bild wurde untermalt vom Tosen der Schmiedehämmer, ein Tosen, das aus den flachen rotsteinigen Fabrikbauten donnerte. Aus den Essen der Gebäude wälzte sich schwarzer dicker Rauch.
Sie liebte den Rauch.
Schwarz.
Dick.
Fettig.
Wie ein böser Traum oder besser – wie der Atem des Todes, als wenn üble Seelen in Richtung Hölle fahren. Ja, das war es, und so ähnlich musste es auch stinken. Der Gestank der Verwesung gepaart mit dem steinigen Geruch von Verbranntem.
Sie konnte stundenlang hier stehen und auf den Fluss starren. Besonders im frühen Sommer, wenn das Wasser fettig und braun wie die Haut einer Suppe schwappte und derart unwirklich schien, als habe ein krankes Hirn den Hades mitten in die Stadt verlegt, als sei der Fluss ein lebendes Wesen, das nur schlief, jederzeit bereit, seinen mit stinkenden Gedärmen überzogenen Körper aus dem Bett zu heben.
Sie starrte auf dieses warme Wasser, auf dem sich die schlimmen Dinge der ganzen Welt zusammentaten, um dann Kinder zu gebären, welche die Stadt unsicher machten. Hier entstand das Übel, soviel war sicher. Warum sie dieses Bild so liebte, mochte mit der Düsternis in ihrem Herzen zu tun haben.
Heute war ein schlechter Nachmittag gewesen. Sie hatte nur ein paar 20-Pounder-Kunden gehabt.
Sie arbeitete noch nicht sehr lange als Hure. Drei, vier Jahre vielleicht. Nun hatte sie immerhin ein schönes rosanes Baumwollkleid.
Sie gehörte der Rasse der Wigoren an, die vor sechstausend Jahren auf diesem Planeten gestrandet waren. Aus einer Raumschiffmannschaft von siebenhundert schlanken, hellhäutigen, ätherisch wirkenden Personen hatte sich eine eindrucksvolle Zahl Planetenbewohner gebildet. Man versuchte, ihre Anzahl durch Geburtenkontrolle einzudämmen. Und durch das regelmäßig stattfindende Ritual des Rancorhead. Wigoren hatten wenig Rechte, und nicht wenige Frauen arbeiteten in den dunklen Gassen der Stadt.
Sie hatte eine derart tiefe Traurigkeit, dass sie am liebsten geweint hätte, aber stets wenn sie es versuchte, kam nichts, war es, als versuche sie aus Sandpapier Wasser zu drücken.
Sie war schlicht und einfach leer. Ihre Seele war leer, ihr Herz war leer, sie hatte keine Tränen mehr. Und sie war hungrig. So hungrig. Sie benötigte zwei Pounders, um bei Drogey zu schlafen. Dort konnte sie sich neben ein paar andere stinkende Weiber auf einen Steinvorsprung setzen und pennen. Drogey spannte ein Schifferseil quer vor die Bäuche der Frauen, damit sie nicht vornüber kippten. Morgens um sechs Uhr löste er das Seil und jagte eine nach der anderen zurück auf die Straße. Zwei Pounder zum Pennen. Nichts übrig, um den Magen zu füllen. Sie war übermüdet und hungrig. Und würde trotzdem ein paar weitere Freier bedienen müssen, sonst gab’s nichts zu essen, oder sie würde auf der Straße schlafen müssen.
Oder sie ging zu Sammo, aber der hatte auch kaum Platz.
War es nicht besser, wenn sie ihr Leben beendete?
Diese Idee schien ihr nicht neu, hatte
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