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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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dem Geplapper mit den Fingern einen Brocken Fleisch vom Tablett, brach dann ein Stück Brot ab und tunkte es in die Latwerge.
    Bis die drei gesättigt waren, ging es auf Mitternacht zu. Da klopfte es erneut an die Frauenzimmerpforte.
Die Beulwitzin öffnete. Draußen stand ein Junge mit einem Bündel.
    »Das hier ist für die neue gnädige Frau«, sagte er, bückte sich und setzte das kleine Knäuel auf dem Teppich ab. Sofort schoss ein wolliges, felliges Etwas hervor und wuselte japsend und fiepend um die verdutzte Beulwitzin herum.
    »Ein Hündchen! Es ist ein Hündchen für mich!«, rief Barbara glücklich. »Schaut bloß, es hat auf den Teppich gepieselt!«
    Das Kind grapschte den aufgeregten Welpen und drückte das Tier an die Brust.
    »Noch mehr Flöhe!«, meinte die Beulwitzin griesgrämig und kratzte sich schon im Geiste.
    Das Kind lachte begeistert. »Ich werd ihn Bless nennen, wegen des weißen Flecks über der Nase. Und er muss in meinem Bett schlafen. Morgen können wir ihm ein Halsband knüpfen und ein Glöckchen dran machen.«
    Es dauerte eine Weile, bis die Hofdamen Barbara so weit brachten, sich schlafen zu legen. Nachdem sich die Beulwitzin geweigert hatte, zusammen mit dem Hund in einem Bett zu schlafen, legte sich das Fräulein von Flachslanden zu Barbara ins Fürstenbett. Das Kind hielt selig das pummelige braune Hündchen im Arm, und noch bevor die von Beulwitz im Nebenzimmer zu schnarchen anfing, war die zukünftige Herzogin von Groß-Glogau und Crossen fest eingeschlafen.

Universität Erlangen, Dezember 2001
    Professor Walter Habermann vom Erlanger Lehrstuhl für Gerichtsmedizin saß im Konservierungsraum 2 des Instituts in der Glückstraße. Eigentlich wollte er an diesem Tag die Klausur für sein Hauptseminar über Wirkung und Nachweisbarkeit von Nervengiften vorbereiten, aber als sich der Kastellan der Plassenburg bei ihm angemeldet hatte, war er nur allzu gern zu einem Gespräch bereit gewesen – schließlich hatte er mit Haubolds Vater gemeinsam die Schulbank gedrückt und Gregor noch als Kind gekannt.
    »Also, mein Lieber, dann zeig mal, was du für mich hast.«
    Er holte umständlich seine Brille aus dem Etui. Haubold griff zu der Schachtel, die er vorsichtig auf den Präparationstisch gestellt hatte, und hob den Deckel ab. Darunter kamen in lauter kleine Tütchen verpackte Knöchelchen zum Vorschein, desgleichen ein Schädel mit aufgepinselter Nummer. Außerdem förderte der Kastellan noch einen Packen Fotos und eine Jurismappe mit Unterlagen zutage. Die meisten Fotos zeigten ein vollständiges Kinderskelett, von verschiedenen Seiten her aufgenommen und unterschiedlich vergrößert, außerdem zwei kleine Metallscharniere, vier schmale Beschläge und die Teile eines Schlosses.
    »Das hier stammt alles aus einem Mauerloch im Untergeschoss der Kulmbacher Plassenburg«, begann
Haubold und legte dabei die Fotos säuberlich auf der Tischplatte aus. »Es handelt sich ganz offensichtlich um ein menschliches Skelett, das in einer kleinen, stoffgefütterten Holztruhe lag und dort eingemauert wurde.«
    »So, so«, meinte Habermann interessiert und sah sich die Aufnahmen an.
    »Ich war schon im Labor der Ur- und Frühgeschichte bei Ihrem Kollegen Schreiber«, fuhr der Kastellan fort. »Ihm zufolge lässt sich das Alter des Skeletts auf zirka vier- bis fünfhundert Jahre schätzen. Was uns, das heißt die Bayerische Schlösserverwaltung und mich, jetzt von Ihnen interessiert, ist die etwaige Todesursache und vielleicht noch das Alter des Kindes und was Ihnen vielleicht sonst noch auffällt.«
    »Muss ja richtig spannend für dich sein, wie? Ein Kinder- oder, sagen wir mal, der Größe nach ein Kleinkinderskelett, eingeschlossen in einer Truhe und auch noch im Keller einer Burg eingemauert, das klingt ja fast wie ein echtes Gruselmärchen. Gott sei Dank dürfte der Fall inzwischen verjährt sein!«
    Habermann schmunzelte und holte die Tütchen mit den nummerierten Skelettteilen aus der Schachtel. Sorgfältig legte er die Knöchelchen auf dem Tisch aus und ordnete sie. »Fällt dir an dem Schädel was auf?«
    Haubold zuckte mit den Schultern. »Wieso?«
    »Weil keine Zähne da sind. Noch nicht einmal ein Milchzahnansatz. Das hier ist der Schädel eines Säuglings. Das Kind war vermutlich keine drei Monate alt, winzig wie das Knochengerüst ist. Und die Fontanelle, siehst du? Sie schließt sich normalerweise innerhalb des ersten Lebensjahres. Und hier ist sie noch ziemlich weit offen. Ich glaube, das

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