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Die Markgräfin

Die Markgräfin

Titel: Die Markgräfin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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wenige Wandfackeln. Das Holzfeuer im riesigen Kamin an der Stirnseite des Raumes war schon längst gelöscht, Tische und Bänke in Reih und Glied aufgeräumt. Die Motive der Wandteppiche waren im Fackelschein nicht zu erkennen, nur die dazwischen angebrachten Waffen – Schwerter und Spieße – blitzten manchmal auf, wenn sich ein züngelndes Flämmchen spiegelte. Die Fenster waren mit schweren Vorhängen verhängt. Die Frauen warteten, und unter ihren Röcken bildeten sich kleine Pfützen vom Regenwasser.
    Aus einer Seitentür trat endlich ein aufgeregtes kleines Männlein, wie sich herausstellen sollte, der Schlossvogt. Er machte mit fast komischer Ernsthaftigkeit eine tiefe Reverenz vor den tropfnassen Damen und entschuldigte sich für den missglückten Empfang. Man habe gerechnet, dass der markgräfliche Zug
wegen des schlechten Wetters noch die Nacht im drei Stunden entfernten Nonnenkloster zubringen würde. Deshalb habe sich der Herzog schon zur Nacht begeben und mit ihm die ganze Haushaltung.
    »Ich werde Euer Liebden sogleich ins Frauenzimmer geleiten lassen«, sprach der Vogt beflissen, »dort könnt Ihr Euch trocknen. Ich schicke auch nach dem Herrenkoch, damit er Euch noch eine Nachtmahlzeit richtet.«
     
    Zum Frauenzimmer gehörten ein größerer und drei kleinere Räume mit großzügigen Fensternischen zum Hof. Die Öffnungen waren mit teuren grünlichen Butzenscheiben verschlossen und nicht nur mit gegerbten Häuten wie in den gewöhnlichen Gemächern. An den Wänden hingen kostbare niederländische Wandteppiche in bunten Farben, die nach der neuesten Mode gewebt waren. Und auf dem Fußboden des größten Raumes lagen ebenfalls Webteppiche statt der üblichen Strohschüttung – das Äußerste an Luxus und Gemütlichkeit. Der einzige Kamin des Frauenzimmers war gerade geschürt worden und das Feuer begann aufzublaken. Barbara war trotz ihrer Erschöpfung freudig beeindruckt. Der finstere Saal war ihr unheimlich vorgekommen, aber hier empfand sie sofort eine wohlige Geborgenheit. Neugierig begann sie, sich in ihrem zukünftigen Domizil umzusehen.
    »So schön! Und schaut nur, Frau Anna, ein eigenes
heimliches Gemach! In Ansbach haben wir immer den Nachtscherben benutzen müssen.«
    Das Frauenzimmer hatte tatsächlich einen eigenen Abort – einen kleinen Holzverschlag, der auf zwei vorkrängenden Außenbalken ruhte und mit einem hölzernen Lochsitz versehen war. Solch ein heimliches Gemach gab es sonst nur noch im herzoglichen Wohnbereich und in der Vogtswohnung. Für alle anderen Schlossbewohner waren irgendwelche Ecken und Nischen gut genug, um ihre Notdurft zu verrichten. Der Abort im Frauenzimmer bedeutete einen enormen Gewinn an Bequemlichkeit, sorgte er doch für frischere Luft und weniger Fliegen und Ungeziefer.
    Barbara begutachtete fröhlich die Betten, die in den drei kleineren Zimmern standen. Sie puffte gegen die Matratzen, die frisch mit Stroh und Häcksel gefüllt waren und nach Scheune dufteten. In jeder Bettstatt lagen zwei Laken aus gestreiftem Londoner Tuch, mehrere weiche Federkissen und zwei Deckbetten, außerdem ein Pfulm, der den Rücken stützte, um das Schlafen in halb sitzender Stellung bequemer zu machen. Zwei der markgräflichen Aussteuertruhen standen bereits in einem der Zimmer, daneben ein Scherenstuhl und ein Tischchen mit einem Kerzenleuchter.
    Es klopfte. Ein Küchendiener trug ein Tablett mit Brot, Käse und kaltem Fleisch, dazu ein Töpfchen mit
Zwetschgenlatwerge und einige kandierte Früchte ins Zimmer. Kurz darauf brachte man aus dem Keller einen Krug heißen Weins, der mit Honig, Alant, Muskat und Zimt aromatisiert war. Schnell zogen das Kind und die beiden Frauen ihre klammen Reisekleider aus und wickelten sich in bereitgelegte Tücher und Decken. Dann ließen sie sich vor dem Kamin nieder und langten hungrig zu.
    »Seht nur, hier gibt’s auch Latwerge!«
    Die kleine Markgräfin liebte zu Mus zerdrücktes und mit Honig dick eingekochtes Obst. Sie langte mit dem Finger ins Töpfchen und schleckte ihn genüsslich ab.
    »Das Brot ist dunkler als bei uns«, bemerkte die von Flachslanden, »und es schmeckt süßer, mein ich. Na, Euer Liebden werden sich schon gewöhnen. Schmeckt Euch der Käse? Wenn Ihr zu viel vom Zwetschgenmus esst, bekommt Ihr wieder Bauchweh, Liebden, das wisst Ihr doch. Wir wollen doch nicht gleich in der ersten Nacht den Durchfall bekommen. Und nehmt nicht zu viel vom Würzwein, das macht schlechte Träume.«
    Barbara holte sich ungerührt von

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