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Die Mars-Chroniken

Die Mars-Chroniken

Titel: Die Mars-Chroniken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ray Bradbury
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Menschen mit anderen Akzenten und Vorstellungen. Aber die Raketen waren amerikanisch, und dabei blieb es, während die Menschen in Europa und Asien und Südamerika und Australien und im Inselreich zurückgelassen wurden von den Kerzenflammen der Raketen. Denn in der übrigen Welt tobte der Krieg oder stand vor dem Ausbruch.
    So bestand auch die zweite Welle aus Amerikanern. Und sie kamen aus den Mietskasernen und Straßenschluchten, und sie genossen die Gesellschaft schweigsamer Männer aus den ländlichen Staaten – Männer, die mit dem Schweigen etwas anzufangen wußten und die ihnen überreich Frieden schenkten nach all den Jahren, die sie eingezwängt in New York verbracht hatten. Und mit der zweiten Welle kamen auch Männer, die nach Blick und Gebärde zu urteilen auf dem Weg zu Gott zu sein schienen…

Februar 2003: Interim
     
    Zum Bau der zehnten Stadt wurden fünftausend Meter Pinienbretter aus Oregon heraufgeschafft, dazu fünfundzwanzigtausend Meter kalifornischer Rotholzbretter, und man zimmerte am Ufer der steinernen Kanäle eine saubere kleine Stadt zusammen. An Sonntagabenden schimmerten durch die getönten Fenster der Kirchen rote und blaue und grüne Lichter, und es waren Stimmen zu hören, die die numerierten Lieder sangen. »Wir singen jetzt Nr. 79. Wir singen jetzt Nr. 94.« Und in manchen Häusern war das strenge Klappern einer Schreibmaschine zu hören – ein Romancier am Werk – oder das Kratzen der Feder eines Dichters; oder es gab überhaupt kein Geräusch, dann gingen vielleicht andere Dinge vor. In mancher Beziehung war es, als hätte ein gewaltiges Erdbeben die Wurzeln und Keller einer Iowa-Stadt ausgerissen und als hätte ein fantastischer Wirbelwind wie aus dem Zauberland Oz die ganze Stadt zum Mars getragen und sanft wieder abgesetzt…

April 2003: Die Musiker
     
    Die Jungen unternahmen weite Ausflüge ins marsianische Land. Sie hatten duftende Tüten bei sich, in die sie während der langen Wanderung dann und wann die Nase steckten, um das saftige Aroma des Schinkens und der Pickles in Mayonnaise zu genießen und um sich das Gurgeln des Orangensafts in den wärmer werdenden Flaschen anzuhören. Sie schwangen ihre Einkaufsbeutel, die voller gewaschener, saftiger grüner Zwiebeln und duftender Leberwurst und rotem Ketchup und Weißbrot waren, und sie stachelten sich gegenseitig an, die strengen Ermahnungen ihrer Mütter zu mißachten. Sie rannten los und brüllten:
    »Wer zuerst da ist, darf zutreten!«
    Sie machten ihre Wanderungen im Sommer ebenso wie im Herbst oder Winter. Im Herbst war es am schönsten, weil man sich da wie auf der Erde vorstellen konnte, durch das Herbstlaub zu rascheln.
    Ein wilder Haufen, so erschienen sie auf den marmornen Plätzen an den Kanälen, rotwangige Jungen mit achatblauen Augen, die einander nach Zwiebeln riechende Kommandos zuflüsterten. Nachdem sie die verbotene Totenstadt erreicht hatten, war es vorbei mit dem lauten »Wer zuletzt ankommt, ist ein Feigling!« oder »Der erste darf den Musiker machen!« Nein, die tote Stadt lag jetzt offen vor ihnen da, und sie glaubten von drinnen ein leises Rascheln wie von Herbstblättern zu hören. Dicht aneinandergepreßt wagten sie sich schrittweise vor, Stöcke in den Händen, und sie dachten an ihre Eltern, die ihnen gesagt harten: »Geht nicht dorthin! Nein, nicht in die alten Städte! Nehmt euch auf euren Wanderungen in acht! Ihr bekommt Schläge wie noch nie, wenn wir euch erwischen! Wir sehen uns eure Schuhe an!«
    Und da standen sie nun in der toten Stadt, ein Haufen Jungen, den mitgebrachten Proviant halb aufgegessen, und sie machten sich mit schrillen Stimmen gegenseitig Mut.
    »Habt ihr vielleicht Angst, ihr Duckmäuser?« Und plötzlich raste einer los in das nächste Steinhaus, polterte durch die Tür ins Wohnzimmer und in das Schlafzimmer, wo er, ohne richtig hinzuschauen, um sich trat, wo er einen wilden Tanz vollführte und die schwarzen Blätter durch die Luft fliegen ließ, dünn und brüchig wie der Stoff, aus dem der mitternächtliche Himmel gemacht ist. Sechs andere folgten ihm, und der erste Junge war stets der Musiker, der auf den weißen xylophonartigen Knochen unter der äußersten Lage schwarzer Flocken spielte. Ein großer Schädel rollte hervor, ein weißer Schneeball; wie sie schrien! Rippen wie Spinnenbeine gaben dumpfe Harfentöne von sich, und die schwarzen Flocken der Sterblichkeit wirbelten hochauf im Takt des wilden Tanzes; die Jungen stießen sich an und fielen in die

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