Die Marseille-Connection
immer noch in aller Ruhe wieder festnehmen können.
Doch weit gefehlt, ihre Männer hatten sie telefonisch informiert,dass Peskow und »Don« Santucho sich nicht von der Stelle bewegt hatten. Offensichtlich hatte der Dealer durchgehalten und endlich begriffen, dass sie seine einzige Göttin war, oder aber das Vergnügen, Schmerzen zu bereiten, war größer gewesen als die Geldgier. Na, das würde sie bald erfahren. Ihr Plan war einfach und effizient. Geständnis des Russen, Prüfung der Beweise und dann Abfassung einer neuen Ermittlungsakte gegen den Herrn Abgeordneten und seine Freunde, die sie zugleich bei der Staatsanwaltschaft einreichen und den Chefredakteuren einiger überregionaler Tageszeitungen zuspielen würde. Unmöglich, den Skandal zu vermeiden. Ihre Oberen in Marseille würden die offene Misstrauensbekundung nicht gern sehen, aber B.B. mochte nicht riskieren, ein weiteres Mal ausgehebelt zu werden.
Bruna, Garrinchas Gespielin, hatte ihren schönen Hintern auf den Hocker einer angesagten Bar im Vieux-Port verfrachtet, die vor allem von amerikanischen Touristen besucht wurde. Sie nippte an einem Gin Tonic und behielt das Lokal dank der großen Wandspiegel im Auge. Angespannt und besorgt wie noch nie in seinem Leben, kam Sunil herein, in der Hand ein Mobiltelefon als Erkennungszeichen. Bruna winkte ihm, und er kam zu ihr.
»Hast du das Geld?«
Der Inder öffnete seinen Mantel. Aus der Innentasche ragte ein gelber Umschlag. Die junge Frau nahm ihn heraus, öffnete ihn und schaute hinein. »Stimmt das auch?«
»Du wirst das jetzt nicht erst zählen wollen!«, stöhnte Banerjee.
Bruna zuckte mit den Schultern und trank noch einen Schluck.
»Mach schon!«, zischte Sunil.
Bruna rief Santucho an. »Alles klar.«
Sunil riss ihr das Telefon aus der Hand. »Ja, sie hat das Geld. Jetzt lass mich mit meinem Freund sprechen.«
Am anderen Ende hielt Garrincha dem Russen das Telefon ans Ohr. »Das Geschäft ist perfekt.«
Peskow vertat keine Zeit mit Begrüßungsformalitäten, sondern nutzte die Minute, die er hatte, um Banerjee alle für die Rettung nötigen Informationen zu geben.
»Nur die Ruhe, ich kriege das alles geregelt«, sagte sein Freund abschließend, aber da war das Gespräch schon unterbrochen.
Der Inder war zutiefst verwirrt. So etwas durfte ihnen einfach nicht passieren, ihnen, hochrangigen Vertretern des Dienstleistungssektors für das organisierte Verbrechen. Zum ersten Mal war er gezwungen, sich wie ein gesuchter Krimineller zu bewegen, da eine Polizistin ihn gefangen nehmen und nackt auf einen Stuhl binden wollte wie den armen Sosim.
Bremond befand sich in einer Sitzung mit der Regionalführung der Partei. Seine Sekretärin ließ sich nicht erweichen, also sprang Sunil in ein Taxi und raste zu Matheron. Dort verlor er keine Zeit mit den Sekretärinnen, die sich ihm beide, Clothilde und Isis, in den Weg zu stellen versuchten, und drang in Gilles’ Büro ein, in dem gerade eine Besprechung mit einigen Kunden stattfand. Neben dem Junior, Édouard Matheron, saßen vier weitere Personen um den großen runden, mit Planzeichnungen und Modellen bedeckten Tisch.
»Was ist los?«, fragte der Alte.
»Bernadette Bourdet«, sagte der Inder nur.
Matheron wurde blass. »Alle raus«, gebot er leise, »sofort!« Als sie allein waren, fragte er Sunil: »Also?«
»Sie hat Aleksandr Peskow gefangen genommen und verhört ihn gerade mit illegalen Methoden, um ein vollständiges Geständnis über die Geschäfte der Bremond-Clique zu erhalten, wie sie sie nennt.«
»Scheiße!«
»Ich muss mit einem gewissen Armand Grisoni reden. Sofort.«
»Was hat der Boss der Marseiller Mafia damit zu tun?«, fragte Matheron entsetzt.
»Er scheint der Einzige zu sein, der das alles zurechtbiegen kann.«
Gilles hängte sich ans Telefon und überwand die Weigerungen von Bremonds Sekretärin mit einer Flut Schimpfwörter. Danach benachrichtigte er Rampal, Vidal und Tesseire.
Er setzte sich den Hut auf: »Hoffentlich ist es noch nicht zu spät.«
Kommissarin Bourdet trat in die übelriechende Halle der früheren Konservenfabrik, einen dicken Aktenordner unterm Arm. Eben hatte sie die Pläne geändert und ihre Männer angewiesen, den Inder nicht nur zu beschatten, sondern einzukassieren und dem Russen als Gesellschaft zur Seite zu stellen. Garrincha saß rauchend auf seinem Stuhl, Peskow jedoch, zwar immer noch nackt und gefesselt, zeigte keinerlei Spur der Behandlung, die er in der Zwischenzeit erfahren haben musste.
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