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Die Masken der Niedertracht

Die Masken der Niedertracht

Titel: Die Masken der Niedertracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie-France Hirigoyen
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Wissens das Opfer erneut demütigen können, um es dann für seine Situation als Opfer verantwortlich zu machen. Unter Hinweis auf den Masochismus, das heißt das aktive Trachten nach Mißerfolg und Leiden, prangerten sie die Verantwortungslosigkeit des Opfers an gegenüber dem, das es verletzt, sowie seine Lust, sich als Opfer zu sehen. Dieselben Psychoanalytiker bezweifelten seine Unschuld und argumentierten, man könne in der Position des Opfers durchaus ein gewisses Behagen empfinden.
    Selbst wenn gewisse Punkte annehmbar sein mögen, sind die Schlußfolgerungen ebenso gefährlich wie perverse Schlußfolgerungen, denn zu keinem Zeitpunkt respektierte man das Opfer. Es besteht nicht der geringste Zweifel, daß seelisches Quälen ein Trauma schafft, das Leiden im Gefolge hat. Wie bei jedem Trauma besteht ein gewisses Risiko der Fixierung auf einen bestimmten Punkt des Leids, der das Opfer daran hindert, sich davon zu lösen. Der Konflikt wird dann zum einzigen Gegenstand seines Nachdenkens und beherrscht all sein Denken – vor allem, wenn es kein Gehör finden konnte und alleingelassen ist. Das Wiederholungssyndrom als Lust zu deuten, wie man es nur allzu häufig hört, würde das Trauma wiederholen. Man muß aber zuerst die Wunden verbinden, die Verarbeitung kann erst später erfolgen, wenn der Patient in der Lage ist, sein Denkvermögen wieder einzusetzen.
    Wie sollte ein gedemütigter Mensch sich solchen Psychoanalytikern anvertrauen, die mit schöner theoretischer Distanziertheit sprechen, doch ohne jede Empathie und schon gar nicht mit Wohlwollen für das Opfer?
     
     
    Herausfinden aus dem Leiden
     
    Die Schwierigkeit, der man bei Personen begegnet, die schon in der Kindheit unter Einfluß standen und geheime Gewalt erduldeten, besteht darin, daß sie nicht anders zu leben wissen und so den Eindruck vermitteln können, sich an ihr Leiden zu klammern. Das ist es, was von den Psychoanalytikern oft als Masochismus interpretiert wird. «Alles verläuft, als ob ein Kern von Leiden und Verlassenheit durch die Analyse aufgedeckt worden wäre und als ob der Patient daran hinge wie an seinem kostbarsten Gut; als ob er auf seine Identität verzichten müßte, wenn er diesem Leid den Rücken kehrt.» 44 Die Bindung an das Leid entspricht Bindungen, die an andere geknüpft wurden, in Leid und Schmerz. Wenn das Bindungen sind, die uns als menschliche Wesen geformt haben, erscheint es uns unmöglich, sie aufzugeben, ohne uns zugleich von diesen Personen zu trennen. Man liebt folglich nicht das Leiden an sich, was Masochismus wäre, sondern man liebt den ganzen Zusammenhang, in dem unsere ersten Verhaltensweisen erlernt wurden.
    Es ist gefährlich, dem Patienten zu schnell seine psychische Dynamik veranschaulichen zu wollen, selbst wenn man weiß, daß er sich oft in diese Situation des Beherrschtwerdens begeben hat, weil ihn daran etwas an seine Kindheit erinnerte. Der Perverse hat ihn mit viel Intuition eingefangen, indem er seine «infantilen» Schwachpunkte nutzte. Man kann lediglich den Patienten dazu bringen, die Verbindungen zu erkennen, die zwischen der neuen Lage und den früheren Verletzungen bestehen. Das kann aber nur geschehen, wenn man sicher ist, daß er von dem beherrschenden Einfluß losgekommen ist und daß er hinreichend stark ist, um seinen Teil Verantwortung zu tragen, ohne in pathologische Schuldgefühle zu verfallen.
    Die unwillkürlichen und ungebetenen Erinnerungen bilden eine Art Wiederholung des Traumas. Um die Angst zu vermeiden, die mit den Erinnerungen an die erlittene Gewalt verbunden ist, suchen die Opfer ihre Gemütsbewegung zu kontrollieren. Um aber wieder anfangen können zu leben, müssen sie ihre Angst akzeptieren und wissen, daß sie nicht von heute auf morgen verschwinden wird. Sie müssen loslassen und ihre Ohnmacht akzeptieren, und das ist echte Trauerarbeit. Dann können sie auch ihre Empfindungen akzeptieren, ihr Leiden anerkennen als einen achtenswerten Teil ihrer selbst und ihre Verletzungen anschauen. Nur dieses Annehmen macht es möglich, mit dem Klagen aufzuhören, seinen krankhaften Zustand sich nicht länger zu verhehlen.
    Wenn das Opfer Vertrauen hat, kann es sich an die erlittene Gewalt und seine Reaktionen wieder erinnern, die Situation erneut untersuchen, sich klar werden, welchen Anteil es an dieser Aggression hatte, womit es einem Aggressor Waffen in die Hand gegeben hat. Es hat es nicht mehr nötig, seinen Erinnerungen auszuweichen, und er kann sie akzeptieren mit

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