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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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aber der kom mandierende Offizier wollte nicht verhandeln. Die Frau und das Kind haben ihn nicht interessiert.» Der Mann verstummte und starrte auf das Gewehr, das er in den Händen hielt. «Sie haben das Haus in Brand gesteckt», sagte er schließlich. «Als die Rothemden mit erhobenen Händen herauskamen, sind sie erschossen worden.»
    «Und die Frau und das Kind?», fragte Tron.
    «Sie wurden ebenfalls erschossen», sagte der Mann ruhig.
    «Der Offizier ist anschließend von Franz Joseph dekoriert worden.»
    Tron räusperte sich. Die Frage war überflüssig, denn er wusste die Antwort bereits. Er sagte: «Kannten Sie die Frau und das Kind?»
    Der Mann nickte ausdruckslos. «Sie waren meine Frau  und meine Tochter.»
    Eine Stille trat ein. Sie dauerte an, und plötzlich fing die malefico an zu läuten, so laut, dass die Holzbalken des Dachstuhls vibrierten.
    Der Mann drehte sich ohne Hast um und stieg auf die Kiste. Dann hob er das Gewehr an die Schulter und legte an, wobei er den Lauf der Waffe auf den Rahmen der Dachluke stützte. Als die malefico schwieg, bewegten sich seine Lippen, so als würde er zählen oder ein Gebet sprechen.

53
    Die Hochrufe, erst vereinzelt und zaghaft, dann zu einem mächtigen Getöse anschwellend, setzten in dem Moment ein, als Franz Joseph an der Seite der Kaiserin aus dem Dämmerlicht des Markusdoms auf die Piazza trat. Da ihm die Sonne ins Gesicht schien, konnte er die Menge nicht sehen, aber er spürte ihre Anwesenheit, hörte ihre summende Erregung und fühlte, dass sie ihm nicht feindlich gesinnt war.
    Jedenfalls war er sich sicher, dass er eine bella figura machte. Er trug die Uniform eines Generalfeldmarschalls, eine weiße, fast vollständig von blitzenden Orden bedeckte Uniformjacke, dazu die rote Hose mit den goldenen Galons, an der Seite den Säbel, der ihn zu würdevollem Ausschreiten zwang, wenn er vermeiden wollte, dass ihm die Waffe bei jedem Schritt gegen die Kniescheibe schlug. Hinter ihm drängte sich der übliche Kometenschweif hoher und höchster Offiziere. Alle trugen Paradeuniformen, und die Sonne, die am südwestlichen Himmel stand, brachte ihre Distinktionen zum Funkeln und ließ ihre wehenden Federbüsche aufleuchten.
    Während Franz Joseph auf das Podest zuschritt, hob er mehrmals grüßend den Arm, was jedes Mal eine neue Salve von Hochrufen auslöste, diesmal hauptsächlich aus den Kehlen der LeibgardeInfanteriekompanie, die sich in Doppelreihen zwischen die kaiserliche Entourage und die Menge geschoben hatte und eine halbkreisförmige Sperrzone vor dem Eingang des Markusdoms markierte. Auch die Leibgarde war in Paradejustierung. Die Gardisten trugen dunkelgrüne Waffenröcke mit scharlachroten Aufschlägen, Schuppenepauletten mit Fangschnüren, auf den Köpfen  hatten sie Pickelhauben mit schwarzen Rosshaarbüschen –  ein prächtiger Anblick, bei dem Franz Joseph vor Freude das Herz im Leibe klopfte.
    Als die malefico anfing zu läuten, löste er sich mit einer kleinen Verbeugung von der Kaiserin und stieg langsam die drei Stufen zur Plattform empor. Man hatte einen roten Teppich auf den Planken ausgebreitet, links und rechts waren zwei große Blumenkübel aus Terrakotta aufgestellt worden. Auf der anderen Seite der Plattform, vor einem hüfthohen, lorbeerumkränzten Geländer, blieb Franz Joseph stehen.
    Und hier, von dieser leicht erhöhten Position aus, konnte er sehen, dass der Markusplatz bis zur Ala Napoleonica tatsächlich voller Menschen war. Sie standen dicht an dicht, ein buntes Gewoge von Uniformen, Gehröcken, Kleidern und Sonnenschirmen, aus dem heraus noch immer vereinzelte Hochrufe ertönten. Einige am Fuß des Campanile versammelte Damen hatten ihre Taschentücher gezückt und winkten ihm begeistert zu, was ihn dazu veranlasste, lächelnd den Arm zu heben und eine galante Verbeugung anzudeuten – eine kleine private Geste, die sofort verzücktes Gekreische und ein verstärktes Gefuchtel der Taschentücher zur Folge hatte. Einen herrlichen Augenblick lang kam sich Franz Joseph vor wie sein Namensvetter Franz Liszt, auf dessen Konzerten die Damen vor lauter Verzückung – so hatte man ihm berichtet – regelrechte Ohnmachtsanfälle erlitten. Ob eine der Damen vor dem Campanile wohl gerade in Ohnmacht gefallen war? Dies war leider nicht zu erkennen, aber ausschließen konnte man es nicht.
    Franz Joseph ließ seinen Blick über die Menge schwei fen und stellte befriedigt fest, dass die Nervosität, die ihn jedes Mal überfallen hatte,

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