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Die Masken von San Marco

Die Masken von San Marco

Titel: Die Masken von San Marco Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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wenn er an seinen Auftritt auf dem Podest dachte, verschwunden war. Während der Patriarch von Venedig eine langweilige Predigt in holprigem Deutsch gehalten hatte, war ihm plötzlich eingefallen, wie er seiner Erregung Herr werden könnte: indem er sich vorstellte, es würde sich alles in seinem Schlafzimmer abspielen, die malefico wäre das Glöckchen und der Schuss das Plopp der Fliegenklatsche auf die Hutschachtel.
    Franz Joseph atmete tief durch und nahm eine entspannte und zugleich majestätische Haltung ein. Den Arm, den er kurz nachdem die Fliegenklatsche auf die Hutschachtel niedergesaust wäre, hochreißen würde, hielt er einsatzbereit angewinkelt. Es wäre fatal, wenn er sich dabei mit dem Sä bel verhedderte. Als das Geläut der malefico abbrach, war er ganz konzentriert – er sah seinen Kammerdiener Rottner mit Glöckchen und Fliegenklatsche klar und deutlich vor sich. Franz Joseph reckte das Kinn hoch, schloss die Augen und fing langsam an zu zählen. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs …

    Die Detonation war so laut, dass sie Tron einen Moment lang taub machte. Sie scheuchte die Fledermäuse an den Dachsparren aus ihrem Schlaf und brachte sie dazu, wie wild durch den Raum zu flattern. Sie hätte auch den Mann mit dem Gewehr dazu gebracht, sich umzudrehen, wenn er noch dazu in der Lage gewesen wäre. Tron sah, wie sein Kopf nach vorne geschleudert wurde und seine Stirn hart gegen den Rahmen der Dachluke schlug. Dann gab er einen erstickten Laut von sich, seine Beine knickten ein, und er stürzte polternd zu Boden. Dort lag er in der gleichen Haltung, in der auch Ziani vor dem Schrank gelegen hatte, nur dass auf seiner linken Schläfe ein Loch klaffte, aus dem Blut und Gehirnmasse sickerte.
    Tron riss den Kopf herum. Sein Herz schlug so heftig, dass er grelles Licht vor seinen Augen tanzen sah, wie das Nachglühen eines Blitzstrahls, und es dauerte ein paar Sekunden, bis er erkannte, dass es sich bei dem Uniformierten, der vor der Verbindungstür zum Palazzo Reale stand, um Königsegg handelte. Der Generalleutnant, in korrekter Paradeuniform, war noch in der Position, die er beim Feuern eingenommen hatte: Sein linkes Auge hatte er zugekniffen, die linke Hand umklammerte das Handgelenk des Waffenarms. Er sah auf eine irritierende Weise professionell aus, und Tron fragte sich, ob er den Grafen nicht unterschätzt hatte.
    Königsegg, den rauchenden Revolver in der Hand, war  mit schnellen Schritten neben Tron getreten und sah ihn besorgt an. Die herumschwirrenden Fledermäuse wehrte er ab wie lästige Fliegen. Von der Piazza waren jetzt undeutlich Schreie zu hören, dann schien eine laute Stimme einen Befehl zu geben. «Sind Sie verletzt, Commissario?»
    Tron schüttelte den Kopf. Seine Ohren dröhnten noch  immer von der Explosion, und er fühlte sich benommen, aber das war alles. «Der Mann», stammelte er, «hatte nicht die Absicht, mich zu verletzen.» Das tat eigentlich nichts zur Sache, aber er hatte das dringende Bedürfnis, es auszusprechen.
    «Hat der Bursche noch feuern können?»
    Tron deutete mit seiner freien linken Hand auf die Waffe, die neben dem Toten auf dem Boden lag. «Wenn der Mann das Gewehr abgefeuert hat», sagte er, «müsste die Kammer leer sein.»
    Königsegg nickte, bückte sich hastig, und dann hörte Tron das Geräusch, mit dem der Lauf der Waffe abklappte und wieder einrastete. Als der Oberhofmeister sich wieder aufrichtete, war er bleich wie ein Gespenst. «Die Kammer ist leer.»

    Franz Joseph hatte einen scharfen Knall erwartet, als er bei zehn angelangt war, eine laute Explosion, gefolgt von einem kriegerischen Rauchwölkchen über einer der Dachluken der Marciana. Doch stattdessen hörte er ein vertrautes Plopp und sah, wie der Blumenkübel, der neben ihm stand, explodierte. Kleine Fontänen aus Terrakottastückchen und Blumenerde, von Blättern und Blüten flogen gegen seine Stiefel und spritzten auf die Federbüsche der Militärs hinab, die sich neben dem Podest aufgebaut hatten und jetzt erschrocken die Köpfe drehten. Eine Frau schrie hysterisch auf, eine zweite fiel ein, und wie erwartet, breitete sich Panik in einem Teil der Menge aus. Einen kurzen Augenblick lang war Franz Joseph verwirrt, doch dann rettete ihn der mit Hilfe der Fliegenklatsche antrainierte Reflex. Er riss den rechten Arm hoch, sog Luft in seine Lungen und fühlte, wie sich die Uniformjacke über seinem Brustkorb spannte.
    Die Worte dröhnten kraftvoll aus ihm heraus: « AUF DAS  DACH DER

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