Die Matlock-Affäre
eine Nadel in den rechten Arm gestochen und hatte dreißig Milligramm einer weißen Flüssigkeit hineingeschossen. Er hatte das auf einem kleinen Boot in den ruhigen Gewässern einer Bucht von Cape Cod getan. Das kleine Segelboot war in die Binsen in der Nähe des Ufers getrieben. Als sie ihn fanden, war James B. Matlocks Bruder tot.
Matlock traf seine Entscheidung.
»Können Sie mir die Namen geben?«
»Ich habe sie bei mir.«
»Einen Augenblick.« Kressel stand auf, und diesmal klang nicht mehr der Ärger aus seiner Stimme - diesmal war es Angst. »Ist Ihnen klar, was Sie von ihm verlangen? Er hat keine Erfahrung in dieser Arbeit. Er ist nicht ausgebildet. Benutzen Sie doch einen Ihrer eigenen Leute.«
»Dafür ist keine Zeit. Es ist keine Zeit für einen unserer Leute. Man wird ihn schützen; Sie können helfen.«
»Ich kann Sie h ind ern!«
»Nein, das können Sie nicht, Sam«, sagte Matlock von seinem Sessel aus.
»Jim, um Christi willen, wissen Sie, was er verlangt? Wenn an dem, was er sagt, auch nur ein Funken Wahrheit ist, dann bringt er Sie in die schlimmste Lage, in die man einen Menschen bringen kann. Er macht Sie zum Informanten.«
»Sie brauchen nicht zu bleiben. Meine Entscheidung braucht nicht die Ihre zu sein. Warum gehen Sie nicht nach Hause?«
Matlock stand auf und ging langsam mit seinem Glas zur Bar.
»Das ist jetzt unmöglich«, sagte Kressel und wandte sich zu dem Mann aus Washington. »Und er weiß das.«
Loring spürte einen Anflug von Trauer. Dieser Matlock war ein guter Mann; er tat, was er tat, weil er das Gefühl hatte, es jemandem schuldig zu sein. Und seine professionelle Erfahrung sagte ihm mit eiskalter Logik, daß James Matlock, indem er den Auftrag annahm, höchstwahrscheinlich in den Tod ging. Es war ein schrecklicher Preis, diese Möglichkeit. Aber das Ziel war den Preis wert. Die Konferenz war ihn wert.
Nimrod war ihn wert.
Das war der Schluß, den Loring gezogen hatte.
Und dieser Schluß machte seinen Auftrag erträglich.
4
Nichts durfte niedergeschrieben werden; das Briefing war daher langsam und bedurfte dauernder Wiederholungen. Aber Loring verstand sich auf seinen Beruf und wußte, wie wichtig es war, gelegentlich Pausen einzulegen, wenn der Druck des Neuen, das zu schnell aufgenommen wurde, zu groß wurde. Während dieser Pausen versuchte er, Matlock auszuhorchen, mehr über diesen Mann zu erfahren, dessen Leben so geringschätzig eingestuft wurde. Es war beinahe Mitternacht; Sam Kressel war vor acht Uhr gegangen. Es war weder notwendig noch ratsam, daß der Dekan während ihrer Gespräche zugegen war. Er war ein Verbindungsmann, kein Akteur. Kressel hatte gegen die Entscheidung nichts einzuwenden.
Ralph Loring erfuhr schnell, daß Matlock ein verschlossener Mann war. Seine Antworten auf unschuldig formulierte Fragen waren kurz hingeworfene Erwiderungen, die keine Rückschlüsse auf seine Motive erlaubten. Nach einer Weile gab Loring auf. Matlock hatte sich bereit erklärt, einen Auftrag zu erledigen, nicht seine Gedanken oder Motive der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es war nicht notwendig; Loring kannte sie ohnehin. Das war alles, worauf es ankam. Eigentlich war es ihm sogar recht, den Mann nicht zu gut zu kennen.
Matlock andererseits reflektierte auf einer völlig anderen Ebene - während er die komplizierten Informationen seinem Gedächtnis einprägte - über sein eigenes Leben und dachte auf seine Art darüber nach, warum man ihn ausgewählt hatte. Die Bewertung seiner Person als mobil gab ihm zu denken; was für ein schreckliches Wort, wenn es einen selbst betraf!
Und doch wußte er, daß er genau das war, was dieser Begriff ausdrücken wollte. Er war mobil. Die berufsmäßigen Rechercheure oder Psychologen oder was immer sie sonst sein mochten, hatten das richtig erkannt. Dennoch bezweifelte er, daß sie die Gründe begriffen, die hinter seiner ... >Mobilität< standen.
Die akademische Welt war für ihn ein Zufluchtsort gewesen, eine Art Asyl. Keineswegs das Ziel langgehegten Ehrgeizes. Er war in sie geflohen, um sich Zeit zu erkaufen, um ein Leben zu ordnen, das im Begriff war, in Stücke zu gehen, um zu verstehen. Um wieder klarzusehen, wie die jungen Leute heutzutage sagten.
Er hatte versucht, es seiner Frau zu erklären. Seiner reizenden, intelligenten, letztlich aber doch hohlen Frau, die dachte, er wäre von Sinnen. Was gab es denn da zu verstehen außer einem wahnsinnig angenehmen Club und einem guten Leben in einer wa hn sinn ig
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