Die Mauern von Logghard
Gesicht eines greisen Mannes. Die blutleeren Lippen verzogen sich zu einem beruhigenden Lächeln. »Es ist nichts Ernsthaftes. Das kommt von dem steten unruhigen Schaukeln, aber irgendwann gewöhnt man sich daran. Der Junge wird die Übelkeit bald überwunden haben. Er ist ein kräftiges Bürschchen. Ich heiße übrigens Arlomb.«
»Das klingt ugalisch«, stellte Kalathee fest.
Der Alte nickte.
»Ich stamme aus Ugalos und bin schon lange vor der Schlacht von Dhuannin zu Fuß zum Orakel von Theran gepilgert«, erzählte er. »Aber die Flüchtlinge überholten mich an der Oase von Theran. Ich wollte das Orakel befragen, wem ich meine Ersparnisse hinterlassen sollte, da ich doch keine Familie mehr besaß. Das Orakel verwies mich nach Sarphand, wo ich meinen Frieden finden sollte. Aber dort erwischten mich die Wilden Fänger.«
Kalathee hörte kaum zu. Sie hatte Samed in die Arme genommen und wiegte ihn. Er schlief nun. Sie schreckte erst hoch, als Arlomb sagte: »Ihr habt nicht den ganzen Weg mit uns mitgemacht. Ihr seid erst vor einigen Tagen zu uns gestoßen. Ich habe es beobachtet.«
»Es hat dich nicht zu kümmern«, erwiderte Kalathee, nahm Samed auf und bahnte sich einen Weg durch die Menge.
Es waren fast durchwegs Männer auf diesem Yarl, insgesamt an die hundert Menschen. In ihren Gesichtern stand die Hoffnungslosigkeit geschrieben. Und diese Menschen sollten in Logghard für die Lichtwelt kämpfen? Legionäre für die Ewige Stadt! Manche von ihnen waren noch halbe Kinder, andere Greise wie Arlomb, die nicht mehr die Kraft hatten, einen Bogen zu spannen oder ein Schwert zu schwingen.
Auf dem Yarl befanden sich neben dem Yarl-Führer, einem mageren, dunkelhäutigen Mann mit Ohren, die wie Geschwüre wucherten, auch noch drei Krieger zur Bewachung der Legionäre. Sie versuchten auch, durch regen Zuspruch ihre Stimmung zu heben. »Ihr seid Auserwählte, jawohl. Einst, wenn wir in Logghard siegen, wird man euch als Helden besingen.«
Viele Legionäre hatten sich in ihr Schicksal gefügt, aber ob sie tapfere Kämpfer abgeben würden, musste sich erst erweisen.
Kalathee blickte sich nach dem alten Ugalier um, der sie angesprochen hatte. Ihre Blicke kreuzten sich, und Kalathee blickte schuldbewusst weg. Sie hatte ein wenig Angst, dass jemand sie und Samed an die Vogelreiter des Shallad Hadamur verraten könnte, die immer noch Jagd auf Luxon machten. Aber bisher war ihr Yarl noch nicht angehalten worden, obwohl sie bereits drei Straßensperren passiert hatten.
Kalathee hätte viel darum gegeben, bei ihrem Geliebten sein zu können. Jetzt hätte er ihres Zuspruchs und ihrer Liebe mehr bedurft denn je. Abgesehen davon, dass er von Hadamurs Vogelreitern gejagt wurde, weil der Shallad befürchtete, dass Luxon ihm den Thron streitig machen würde, hatte er eine weitere bittere Enttäuschung erlebt, als er erkennen musste, dass die Waffen des Lichtboten in seinen Händen ihre Kraft verloren.
Ich glaube trotzdem an dich, Luxon, dachte Kalathee. Sie hätte es ihm gerne gesagt und ihm Mut gemacht, damit er den einmal beschrittenen Weg weitergehe.
Aber Luxon hatte gemeint, dass es für sie und Samed zu gefährlich sei, bei ihm zu bleiben, und sie musste sich fügen.
Als sie ihn zum Abschied fragte, was er nun zu tun gedenke, hatte er gesagt, dass er noch keine Entscheidung getroffen habe.
Sie hätte bei Luxon bleiben sollen! Aber sie hatte sich gefügt und sich von Fafhads Leuten zur Straße der Elemente bringen lassen, die nach Logghard führte. Hier wurde sie an die Krieger übergeben, die den Yarl-Transport mit Legionären bewachten. Man gab sie als Entflohene aus, und die Krieger nahmen sie auf, ohne sie zu bestrafen. Das lag schon vier Tage zurück, und es hieß, dass Logghard bald in Sicht kommen würde. Samed schlief noch immer…
»Halt! Im Namen von Shallad Hadamur!«
Kalathee hielt den Atem an, als der Yarl-Führer das Tier zügelte. In die Legionäre, die bisher stumpf vor sich hin gedöst hatten, kam Bewegung. Sie unterhielten sich darüber, aus welchem Grund die Vogelreiter wohl den Yarl-Zug anhielten.
Kalathee hatte einen Platz an den Palisaden, unter einem Wehrgang. Sobore, der Kommandant des Yarl-Zuges, stieg über die kurze Leiter zum Wehrgang hoch und unterhielt sich mit den Vogelreitern, die Kalathee durch die Ritzen zwischen den Palisaden sehen konnte. Sie schätzte sie auf etwa fünfzig.
Sobore unterhielt sich mit dem Anführer der Vogelreiter zuerst über allgemeine Dinge und erfuhr, dass
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