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Die Mauern von Logghard

Die Mauern von Logghard

Titel: Die Mauern von Logghard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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Gibst du auch dann, wenn das Nehmen viel leichter fiele? Übst du Zurückhaltung, besonders mit der Waffe in der Hand, auch dann, wenn die Lage es dir erlaubt, einfach vorwärts zu stürmen? Der Geist mag manches erkennen, aber kann er auch den Körper zügeln?«
    Mythor dachte zurück, durchlebte einige der Stationen seines Lebens noch einmal und fand, dass er hätte lügen müssen, wollte er diese Fragen vorbehaltlos bejahen. So sagte er einfach: »Ich bin nicht vollkommen.«
    »Wer ist das schon?« erklärte Nayna das Schattenspiel des Großen. »Aber Seelenfinger will wissen, ob du dich stark, gefestigt und reif genug fühlst, das Erbe des Lichtboten anzutreten?«
    »Diese Frage kann ich erst beantworten, wenn ich den siebten und letzten Fixpunkt des Lichtboten aufgesucht habe«, antwortete Mythor ausweichend. »Aber die Ausrüstung, die ich trage, habe ich rechtmäßig erworben, und ich betrachte sie als Leihgabe des Lichtboten, solange sie mir ihren Dienst nicht versagt. Nun lasse aber mich eine Frage an Seelenfinger stellen. Zweifelt er daran, dass ich der Sohn des Kometen bin, dass er mir solche Gewissensfragen stellt?«
    »Seelenfinger stellt nicht in Frage«, erklärte Nayna, »dass du jener bist, dessen Kommen die Großen in Sarphand angekündigt haben. Auch weiß er, dass du an den sechs von sieben Fixpunkten warst und die Hinterlassenschaft des Lichtboten an dich genommen hast. So gesehen bist du über jeden Zweifel erhaben. Und darum kann und darf er es dir nicht verwehren, vor den Größten der Großen hinzutreten.«
    »Es wird auch Zeit«, murmelte Sadagar im Hintergrund. »Fast könnte man meinen, dass Logghard eine Oase des Friedens ist und der Hilfe des Sohnes des Kometen nicht bedarf.«
    Der Große geriet auf einmal in Aufregung und machte in Richtung des Steinmanns heftige Handbewegungen. Dabei stieß er einige schrille Pfeiflaute aus.
    »Seelenfinger ist über das Benehmen deiner Kameraden empört«, sagte Nayna dazu. »Er kann dem Größten nicht zumuten, sich mit ihnen abzugeben. Darum musst du diesen Gang alleine machen.«
    »Wir bleiben zusammen!« rief Luxon aus. »Du darfst nicht zulassen, dass wir getrennt werden, Mythor.«
    Mythor warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und meinte dann zu ihm: »Ich fürchte, Seelenfinger hat recht. Ihr könnt mich nicht zum Größten begleiten. Es gibt gewisse Regeln, die befolgt werden müssen. Aber die Trennung wird nicht für lange sein. Ich werde für eine rasche Entscheidung sorgen.«
    Sadagar wollte aufbegehren, aber Luxon brachte ihn mit einer Handbewegung zum Verstummen.
    »Es muss wohl sein«, sagte er. »Aber sei auf der Hut, Mythor. Mach die Sache kurz. Wenn du nicht bald zurückkommst, dann suchen wir dich.«
    »Ich habe nichts zu befürchten«, sagte Mythor mit einem Seitenblick auf Seelenfinger. »Die Großen und ich, wir stehen auf derselben Seite.« Er machte eine kurze Pause und fügte mit Nachdruck hinzu: »Außerdem trage ich die Waffen des Lichtboten!«
    Seelenfinger pfiff aufgeregt und machte dazu hektische Handbewegungen.
    »Du musst dem Größten – dem Erleuchteten – in völliger Reinheit gegenübertreten«, übersetzte Nayna. »Das bedeutet, mit leeren Händen, gewaschen und gesalbt und nackt, wie du erschaffen wurdest.«
    »Nein, das werde ich nicht!« sagte Mythor fest. »Entweder empfängt euer Größter mich in voller Ausrüstung, oder ich verzichte auf diese Begegnung. Davon gehe ich nicht ab!«
    »Richtig so!« sagte Sadagar beipflichtend. »Lass dich nur ja nicht entwaffnen. Es wird Zeit, dass die Großen dir die deinem Stand entsprechende Behandlung erweisen.«
    Seelenfinger erhob sich und wies unter Pfeiflauten mit beiden Händen, deren Finger ineinander verschlungen waren, auf einen Torbogen im Hintergrund des Raumes.
    »Du bist hartnäckig und widerspenstig, Mythor«, erklärte Nayna dazu. »Aber du sollst deinen Willen haben. Seelenfinger wird dich zum Erleuchteten geleiten.«
    Luxon sah Mythor mit dem Großen durch den Torbogen verschwinden. Das Mädchen Nayna blieb zurück. Luxon glaubte, aus den Augenwinkeln eine Bewegung an ihr zu erkennen, und blickte zu ihr. Sie sah ihn aus großen, bangen Augen an, warf ihm einen langen, fast flehenden Blick zu. Wollte sie ihn warnen? Er war sicher, dass sie ihm etwas zu sagen hatte.
    Aber als er einen Schritt auf sie zumachte, verstellte ihm auf einmal ein Krieger den Weg und drängte ihn zusammen mit Sadagar und Hrobon durch die Tür, durch die sie gekommen waren. Als

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