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Die Mauern von Logghard

Die Mauern von Logghard

Titel: Die Mauern von Logghard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Vlcek
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Logghard Geheimnisse vor dem Sohn des Kometen?«
    »Vor Mythor offenbar schon«, erwiderte Hrobon, der sich keine Gelegenheit entgehen ließ, seine Spitzen gegen Mythor anzubringen.
    Mythor trat hinter Jemon durch das Tor und kam in eine weite Halle, die von schlanken Säulen getragen wurde. Entlang der Säulen standen zwei Reihen von Kriegern mit aufgepflanzten Lanzen.
    »Seelenfinger erwartet dich«, sagte Jemon, ohne sich nach Mythor umzudrehen. »Folge mir.«
    Die spalierstehenden Krieger rührten sich nicht, als Mythor ihre Reihe abschritt. Sie erreichten das Ende der Halle, bogen nach links ab und schritten durch eine niedrige Tür. Dahinter lag ein langer Gang, durch den ihre Schritte laut hallten. An seinem Ende lag wieder eine Tür, vor der zwei Posten standen. Sie ließen Jemon und Mythor vorbei, kreuzten jedoch vor Sadagar, Luxon und Hrobon die Lanzen, um sie am Weitergehen zu hindern.
    »Ich verlange, dass meine Freunde mich begleiten«, sagte Mythor entschlossen.
    »Das ist nicht üblich«, meinte Jemon. »Seelenfinger wird sehr ungehalten darüber sein, wenn deine Begleiter mitkommen.«
    »Dann wird er auch auf meine Gesellschaft verzichten müssen«, sagte Mythor.
    Jemon zuckte ergeben die Schultern und machte den beiden Wachen ein Zeichen. Daraufhin gaben sie den Weg frei. Nur die sie begleitenden Krieger blieben zurück.
    Sie kamen in einen niedrigen, kahlen Raum, der nur von einem schwachen Öllicht erhellt wurde. In einer Ecke saßen zwei Gestalten mit überkreuzten Beinen auf dem Boden. Beide trugen sie Kutten, so dass ihre Gesichter im Schatten lagen und nicht sogleich zu erkennen waren.
    Erst beim Näherkommen erkannte Mythor, dass das eine einem noch ziemlich jung wirkenden Mädchen gehörte, das ihn aus großen, staunenden Augen anblickte. Erst als unter der Kapuze des anderen ein Pfeiflaut kam, ließ sie von Mythor ab.
    Sie schüttelte sich, als erwache sie aus einem Traum, und sagte: »Ich bin Nayna und heiße dich im Namen des Großen Seelenfinger im Tempel von Logghard willkommen. Bitte – lasse dich an seiner Seite nieder.«
    Mythor lächelte ihr zu und ließ sich rechts von dem Großen auf den Boden sinken, der sich daraufhin ihm zuwandte. Mythor sah in ein verrunzeltes, blasses Gesicht, das ohne Mund zu sein schien. Nur an der Narbenreihe oberhalb und unterhalb der Lippen erkannte man, dass der Mund zugenäht worden war. Jedesmal, wenn Mythor einem Großen von Angesicht zu Angesicht gegenübertrat, überkam ihn ein leichtes Frösteln, so auch diesmal.
    Nachdem Mythor mit überkreuzten Beinen Seelenfinger gegenübersaß, stellte das Mädchen Nayna die Öllampe so, dass der Schatten des Großen auf die kahle Wand fiel. Er betrachtete Mythor aus tiefliegenden Augen, und Mythor erwiderte den durchdringenden Blick. Eine Weile saßen sie reglos da, einander anstarrend, als wolle einer den anderen mit den Blicken bezwingen. Schließlich war es der Große, der nachgab und die Augen schloss. Nun hob der Große seine Hände, und seine Finger begannen ein verwirrendes Spiel.
    »Seelenfinger heißt dich in Logghard willkommen, obwohl du dich verspätet hast, Mythor«, übersetzte das Mädchen Nayna das Schattenspiel der Finger ins Gorgan. »Aber er ist es zufrieden, denn seine Augen stellen fest, dass du mit den Waffen des Lichtboten gerüstet bist. Doch hat er eine Gewissensfrage an dich, Mythor: Bist du auch in anderen Belangen genügend gerüstet? Ist dir klar, wie zweischneidig ein Schwert ist – dass es ebenso Gewalt säen kann wie auch solche verhindern?«
    Mythor überlegte sich seine Worte gut, bevor er antwortete. »Ich habe einen weiten Weg durch Höhen und Tiefen hinter mir, und so weiß ich: Hinter jedem Berg liegt ein Tal. Kein Licht ohne Schatten. Feuer kann wärmen und verbrennen. Die Sonne spendet Leben – und kann es nehmen. Das Gute trägt das Böse in sich. Und darum gilt es, jeden Schritt gut abzuwägen und sich zu überlegen, wohin er führt. Ich habe erkannt, dass jedes Ding zwei Seiten hat und nur dadurch die Welt im Gleichgewicht gehalten wird. Man darf keine Tat setzen, die dieses Gleichgewicht gefährdet.«
    Der Große hatte bewegungslos gelauscht, jetzt bewegten sich wieder seine Finger, und deren Schatten tanzten in einem verwirrenden Spiel über die Wand.
    »Dieses Wissen um die Geheimnisse des Lebens ist viel wert«, übersetzte das Mädchen Nayna Seelenfingers Schattensprache. »Aber bist du auch stark genug, dieses Wissen im Leben zu verwerten? Handelst du danach?

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