Die Mauern von Logghard
abnehmen wollte. Ich musste damals annehmen, dass er sie an Mythor weitergeben wollte, aber jetzt weiß ich es besser.« Luxon ballte die Hände vor unterdrückter Wut.
Er hoffte inständig, dass es ihnen möglich sein würde, die schändlichen Pläne der Großen zu durchkreuzen.
*
Der Freiplatz hinter dem Haupttor, an dem sich die Yarls mit den Legionären sammelten, war so groß wie ein Dorf. Dahinter erhob sich die stufenförmige Stadt mit ihren unzähligen Mauern und Wehrtürmen – und alles wurde von dem sanften Schein der himmelragenden Lichtsäule überstrahlt.
Logghard war alles andere als eine schöne Stadt, sie war einzig und allein auf den Zweck abgestimmt: auf die Verteidigung gegen die Dunklen Mächte.
Auf den flachen Dächern der Gebäude standen erschreckend große Wurfmaschinen und Riesenarmbrüste, deren Pfeile selbst einen Yarl niederzustrecken vermochten.
Nein, Logghard war keine Augenweide, aber die Ewige Stadt lebte.
Kalathee hatte noch nie in ihrem Leben so viele Menschen auf einmal gesehen, nicht einmal in Sarphand. Aber Logghard ließ sich mit der Goldenen Stadt an der Saphirbucht überhaupt nicht vergleichen.
Dort hatte es unbeschreibliche Armut neben unvorstellbarem Luxus gegeben, Prachtbauten neben Elendsquartieren. Hier schien jeder gleichgestellt, wenn auch in bestimmte Aufgabenbereiche unterteilt. Und tatsächlich schien in diesem Durcheinander jeder zu wissen, was er zu tun hatte.
Krieger, die nur leicht bewaffnet waren, kamen und drängten die Legionäre von den Yarls fort. Sie taten es, ohne grob zu werden. Für Samed hatte jeder ein freundliches Wort übrig.
»Leute, haltet Ordnung, damit wir euch rascher in eure Aufgaben unterweisen können«, wurde den Legionären zugeredet. »Ihr wollt doch auch bald ein Dach über den Kopf bekommen, oder? Und macht euch keine Sorgen darüber, dass ihr überfordert werden könntet. Es findet sich für jeden die passende Beschäftigung. Wer mit Waffen umgehen kann, der soll sich freiwillig zur Kampftruppe begeben.«
Die meisten kamen der Aufforderung nach. Aber es mischten sich einige jüngere Männer unter die Alten, offenbar um dem Dienst mit der Waffe zu entgehen. Sie entgingen aber den scharfen Augen der Loggharder nicht.
Es gab aber auch einige Fälle, in denen Nachsicht geübt wurde. Zum Beispiel, wenn es darum ging, den Vater vom Sohn und die Frau von ihrem Mann zu trennen, von denen nicht beide für den Kampf mit der Waffe geeignet waren.
Dann wurde stets zugunsten des Schwächeren entschieden. Familien wurden beisammen gelassen.
Kalathee war hoffnungslos in die Menschenmenge eingekeilt. Sie hielt Samed am Arm fest, der sich seinerseits wiederum an ihrem Gewand festklammerte. Allmählich legte sich das Gedränge, als immer mehr Legionäre ihren Aufgaben zugeteilt wurden.
»Kannst du kochen?« wurde eine alte Frau gefragt, die sich auf einen Stock stützen musste .
»Ei, ja«, sagte sie aus zahnlosem Mund. »Ich habe in den Wäldern von Tillorn Kräuter und Pilze gesammelt, daraus allerlei gebraut und diese Heilmittel auf dem Markt von Sarphand verkauft.«
»Sie ist eine Giftmischerin«, rief eine andere Frau. »Sie hat etliche Menschen auf dem Gewissen und ist darum den Wilden Fängern freiwillig ins Netz gelaufen.«
»Mit deinen Kenntnissen wirst du für die Medizin eine wertvolle Hilfe sein«, erklärte der Loggharder. »In den Dunklen Bezirken kreucht allerhand, was es auszutilgen gilt. Wer von euch versteht sich dann auf die Kunst des Kochens?«
»Wenn du mir die rechten Zutaten reichst, dann bereite ich dir Gerichte zu, die eines Königs würdig sind.«
»Unsere Vorratslager sind voll. Wenn es nur danach ginge, könnten wir noch einmal 250 Jahre Belagerung überstehen… Also du, du und du!«
Kalathee meldete sich auf keinen der Aufrufe. Bald hatte sich die Menge aufgelöst, und sie gehörte mit Samed zu den wenigen, die noch nicht eingeteilt waren.
Ringsum hatten sich Gruppen gebildet, denen die Legionäre je nach Fähigkeiten und Können zugeordnet worden waren. Jene, die in ihrem früheren Leben Handwerker gewesen waren, bekamen auch in Logghard dieselbe Beschäftigung, sofern sie sich nicht zum Kämpfen eigneten.
Wer keinerlei Handfertigkeit besaß, wurde zu Hilfsdiensten abgestellt. Zimmerleute und Maurer waren besonders gesucht, denn die Zerstörungen an Gebäuden und Wehren durch die Dunklen Mächte waren groß.
Kalathee wurde Zeuge, wie zwei betagte Seefahrer, die einst auf Lichtfähren gedient hatten,
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