Die Maya-Midgard-Mission
schon wieder verdächtig. "Aber lebendig muss es sein. Äußerst lebendig", fügte er mit einem kaum verhohlenen Seitenblick auf Darias Dekolleté hinzu. "Ich weigere mich, Gottes schönste Geschöpfe in irgendwelchen Vitrinen zu beäugen. Ich bevorzuge die natürliche Umgebung...", Daria spürte ziemlich unkeusche, blaue Augen auf ihrem Busen. "...betrachte zarte Schönheiten wie etwa den Aurora-Falter – Anthocharis cardamines – ausschließlich in lebendigem Zustand. Fangen tue ich die Milchstehler und Butterschmetten höchstens mal mit meiner Leica. Das kann man auf den Auroren wie sonst nirgendwo auf unserer Erde." Domnall O'Domhnaill beendete den Satz mit einem erneuten ungeschickt verstohlenen Augenschmaus.
" Ich verstehe", sagte Daria und verstand nur, dass ihre Verwirrung wohl aus der mangelnden Übereinstimmung zwischen der leibhaftigen Erscheinung des Paters und dem Klischee eines Priesters, das in ihrem Kopf herumspukte, rühren musste. Vielleicht war sie zusätzlich ein wenig überrascht von den offensichtlichen Defiziten des Gottesmannes in der unauffälligen Betrachtung des weiblichen Körpers. Auf alle Fälle aber bot der Ire einen überzeugenden Showmix von Sean Connery und Don Camillo.
»Überraschung überrascht! Er turnt dich an, hihi! Pass auf, dass d u kein feuchtes Höschen kriegst. Ach nee, du hast ja gar keins an, hihihi!« , höhnte Stimmchen so laut, dass es bestimmt jedermann gehört hatte.
" Domnall ist ein begabter Zeichner, Daria. Manchmal hält er die Objekte seiner Begierde meisterlich mit Stift und Malblock fest", bemerkte Kautsky. "Auf Ornuga gibt es einen besonderen Artenreichtum zu studieren, wie mir unser Freund versicherte. Du musst dir seine Bilder ansehen. Große Klasse!"
" Tatsächlich", sagte Daria und merkte, dass Sie die Kunst des Plauderns nicht mehr beherrschte. Seit Beginn ihrer Ehekrise hatte sie Feste und andere öffentliche Auftritte gemieden. Zum Smalltalk muss man geboren sein, tröstete sie sich.
»Vakuole!« , zischte Stimmchen hämisch.
" Dann haben wir ja Gemeinsamkeiten", fuhr Daria fort. "Ich zeichne zwar zumeist kein pulsierendes Leben, sondern starre Materie. Aber ich mache das, wenn man es genau betrachtet, um mir so das vergangene Lebendige zu vergegenwärtigen."
Kautsky klapste Domnall O 'Domhnaill freundschaftlich an die Schulter. "Da staunst du, was Dom? Tja, unsere Daria hier ist eine außergewöhnliche Frau, mein Lieber. Sie bringt uns dem Ursprung der Dinge näher. Auf eine Art, die...die... nun, eine ungeheuer spannende Art und Weise jedenfalls, erforscht sie auch unsere Bestimmung. Nicht was du denkst, Dom. Diese Frau ist so wenig Priesterin, wie du Heiliger bist. Darf ich dir Dr. Daria Delfonte vorstellen: Archäologin auf der Suche nach der Bibel der mittelamerikanischen Maya. Ihre jüngste Entdeckung wird sie schon bald weltberühmt machen, da bin ich sicher."
" Mylady Delfonte", meinte Pater Domnall O'Domhnaill und verbeugte sich wie ein geübter Höfling. "Ich brenne darauf, Ihre Geschichte zu erfahren." Dabei schaute er dermaßen interessiert drein, dass Daria sich seufzend in ihr Schicksal fügte und ihm die Geschichte vom Nordmann erzählte.
" Unglaublich", murmelte der Hüne mit dem weißen Zopf, doch hinter seiner heiter-ironischen Miene lauerte eine Skepsis, die Daria irritierte.
" Ich hatte gestern bereits Gelegenheit mit Kautsky über Ihren grandiosen Fund zu sprechen. Sie erwähnten die Tätowierung auf der Kopfhaut des Nordmannes, und ich frage mich..."
Daria fühlte, dass der irische Geistliche im Begriff war, den Finger auf die einzige Wunde zu legen.
"Nun, wie Sie sie schildern, Frau Doktor, ist diese Tätowierung äußerst ungewöhnlich. Erstens wegen ihres ehm Fundortes auf der Schädelhaut, zweitens aber und das erscheint mir noch erstaunlicher, weil sie die Abbildung eines Archipels darstellt, das doch noch heute, über 1000 Jahre später, einen tiefen Dornröschenschlaf fristet. Waren die Wikinger schon in Besitz solch genauer See- und Landkarten, oder verfügten die Maya über Satellitenbilder?"
" Ich bewundere Ihre Scharfsinnigkeit, Pater", sagte Daria, und das tat sie wirklich. Doch ihre eigene Schlussfolgerung, ihre Trumpfkarte, um die berechtigten Zweifel an der kuriosen Kopfkarte zu entkräften, die behielt sie für sich. "An meinem Fund ist wahrhaftig alles erstaunlich, nicht nur die Tätowierung. Meistens wirft meine Arbeit mehr Fragen auf, als sie Antworten bietet. Dabei sind wir erst am Anfang
Weitere Kostenlose Bücher