Die Meerhexe
beiden Männer blieben neben dem Bohrturm stehen, wo mit einem Bohrer versucht wurde, die Ausdehnung des Ölfeldes festzustellen. Die Männer, die dort arbeiteten, sahen die beiden zwar nicht gerade mit Feindseligkeit, aber auch nicht mit Sympathie an. Und es gab Gründe für die mangelnde Herzlichkeit in ihren Blicken.
Lord Worth wollte den Boden dieses gigantischen Ölfasses unter dem Meeresboden erreicht haben, bevor irgendwelche Gesetze erlassen wurden, die seinen Bohrungen an dieser Stelle einen Riegel vorschoben. Er war zwar nicht übertrieben besorgt, weil Regierungsstellen sich nicht gerade durch rasante Arbeit auszeichneten, aber es war immerhin möglich, daß sie sich dieses eine Mal beeilten. Außerdem konnte sich seine Goldgrube als viel größer erweisen als angenommen. Daher der derzeitige Versuch, die Grenzen des Ölfeldes abzuschätzen, und daher der Mangel an Herzlichkeit bei den Männern, denn Larsen und Scoffield – in früheren Zeiten hätten sie hervorragende Sklaventreiber abgegeben – standen bildlich gesprochen immer mit der Peitsche hinter ihnen. Obwohl das den Männern nicht paßte, reichte es nicht aus, sie zum offenen Meutern zu treiben. Immerhin wurden sie hoch bezahlt, waren gut untergebracht und wurden hervorragend verpflegt. Was Wein, Weib und Gesang betraf, war zwar nichts los, aber nach einer erschöpfenden Zwölf-Stunden-Schicht hätten derartige Späße sowieso keine Chance gegen eine Riesenmahlzeit und einen langen, tiefen Schlaf gehabt. Zusätzlich zu ihrem normalen Lohn bekamen die Männer noch einen Bonus für jeweils tausend Fässer geförderten Öls.
Larsen und Scoffield gingen zum westlichen Rand der Plattform und blickten auf den riesigen Vorratstank hinaus, dessen oberer Rand mit Warnleuchten versehen war. Nach einer Weile drehten sie sich um und gingen zu den Quartieren zurück.
»Haben sie schon entschieden, wo die Geschütze aufgebaut werden sollen, Commander?« fragte Scoffield. »Wenn sie wirklich kommen.«
»Sie kommen bestimmt«, sagte Larsen überzeugt. »Aber hier werden wir keine brauchen.«
»Warum nicht?«
»Überlegen Sie sich das selbst. Und was die übrige Meerhexe betrifft, bin ich mir noch nicht schlüssig. Die Erleuchtung wird mir im Schlaf kommen. Heute bin ich früh mit Schlafengehen dran. Bis um vier.«
Das Öl wurde nicht an Bord der Bohrinsel gelagert – es war gesetzlich verboten und widersprach zudem gesundem Menschenverstand, Kohlenwasserstoffe auf oder in der Nähe einer Arbeitsplattform zu speichern. Statt dessen hatte Lord Worth nach Anweisungen Larsens, die dieser klugerweise in Form von Vorschlägen vorgebracht hatte, einen riesigen, schwimmenden Tank bauen lassen, der dreihundert Meter von der Meerhexe entfernt verankert worden war. Nachdem das Öl vom Meeresboden gefördert war, wurde es gereinigt in diesen riesigen Tank gepumpt.
Einmal, manchmal zweimal am Tag, kam ein Tanker und holte das Öl ab. Drei Tanker fuhren die Strecke zwischen der Meerhexe und dem Süden der Vereinigten Staaten. Die North Hudson Oil Company besaß auch Supertanker, aber die hätten in diesem Fall nicht dem Zweck entsprochen. Sogar der volle Speicher könnte den Tank eines der Supertanker nicht einmal zu einem Viertel füllen, und der Gedanke, einen Supertanker mit Verlust fahren zu lassen, hätte Lord Worth schlaflose Nächte beschert. Aber ein noch wichtigerer Gesichtspunkt war der, daß die Häfen, in die Lord Worth sein Öl bringen ließ, nicht die nötige Wassertiefe hatten.
Lord Worth hatte die Häfen nicht willkürlich ausgesucht. Einige seiner schärfsten Gegner, die an der Übereinkunft gegen das Bohren in internationalen Gewässern mitgestrickt hatten und die ihn aus tiefster Seele verurteilten, gehörten zu seinen besten Kunden. Es waren die kleineren Gesellschaften, die hart an der Rentabilitätsgrenze entlang lavierten. Sie hatten nicht die Möglichkeit, Untersuchungen zur Erforschung neuer Quellen anzustellen, wie es die größeren Gesellschaften taten, die riesige Summen in diese Projekte steckten und dabei zum Unwillen der Steuerbehörde und zahlreicher Untersuchungsausschüsse des Kongresses Steuerbefreiung im großen Stil forderten.
Aber für die kleineren Gesellschaften war die Verlockung, billigeres Öl bekommen zu können, unwiderstehlich. Die Meerhexe, die wahrscheinlich genausoviel Öl förderte wie alle offiziellen Pachtgebiete der Regierung zusammen, schien eine sichere und nicht versiegende Quelle billigen Öls zu
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