Die Meerhexe
sein – jedenfalls so lange, bis die Regierung einschritt. Das konnte im Laufe der nächsten zehn Jahre passieren oder auch nicht. Die großen Gesellschaften hatten schon ihre Fähigkeit demonstriert, mit unfähigen Kommissionen des Kongresses fertig zu werden, und solange die Energiekrise andauerte, machte sich niemand groß Gedanken, woher das Öl kam. Hauptsache, es kam überhaupt. Und außerdem fragten sich die kleineren Gesellschaften, warum sie nicht auch mit den Preisen herumjonglieren sollten, wenn es die OPEC konnte.
Nicht einmal drei Kilometer von Lord Worths Besitz entfernt lagen die Häuser und das gemeinsame Büro von Michael Mitchell und John Roomer. Als es klingelte, ging Mitchell zur Tür.
Der Besucher war von mittlerer Größe, rundlich, trug eine Nickelbrille und litt augenscheinlich unter rapidem Haarausfall.
»Darf ich hereinkommen?« fragte er kurz, aber höflich.
»Natürlich.« Mitchell trat beiseite, um ihn einzulassen. »So spät empfangen wir eigentlich keine Klienten mehr«, erklärte er.
»Ich danke Ihnen, daß Sie bei mir eine Ausnahme machen. Ich komme in einer ungewöhnlichen Angelegenheit. Mein Name ist James Bentley.« Mit der Handbewegung eines Taschenspielers brachte er eine Karte zum Vorschein. »FBI.«
Mitchell würdigte den Dienstausweis keines Blickes. »Diese Dinger kann man in jedem Scherzartikelladen kaufen. Wo sind Sie her?«
»Aus Miami.«
»Wie ist die Telefonnummer?«
Bentley drehte die Karte um; Mitchell nahm sie und gab sie Roomer. »Er ist mein Gedächtnis. So kann ich mir ein eigenes sparen«, erklärte er.
Auch Roomer sah sich die Karte nicht an. »Es ist in Ordnung. Ich kenne ihn. Sie sind der Boß da oben, nicht wahr?« Bentley nickte. »Bitte setzen Sie sich, Mr. Bentley.«
»Bevor wir weiterreden, möchte ich erst eines klären«, sagte Mitchell, »befaßt sich das FBI mit uns?«
»Ganz im Gegenteil. Das State Department hat mich beauftragt, Sie um Ihre Hilfe zu bitten.«
»Jetzt haben wir es endlich geschafft, John«, frohlockte Mitchell ironisch.
»Aber nur, weil die im State Department nicht wissen, wer wir sind.«
»Ich weiß es«, sagte Bentley, und damit war die Diskussion beendet. »Soviel ich weiß, stehen Sie beide auf freundschaftlichem Fuß mit Lord Worth.«
Roomer war auf der Hut. »Wir kennen ihn flüchtig – so wie Sie uns.«
»Oh, ich kenne Sie ganz gut. Ich weiß eine Menge über Sie – auch, daß Sie zwei ehemalige Polizisten sind, die es nie gelernt haben, im richtigen Augenblick wegzuschauen. So was vermasselt die Karriere. Ich möchte, daß Sie ein paar Nachforschungen über Lord Worth anstellen.«
»Ausgeschlossen«, sagte Mitchell, »dazu kennen wir ihn dann doch zu gut.«
»Hören wir uns doch erstmal die ganze Geschichte an, Mike«, schlug Roomer vor, aber auch sein Gesicht hatte jegliche Freundlichkeit verloren.
»Lord Worth hat beim State Department angerufen. Er scheint unter Verfolgungswahn zu leiden, und das interessiert das State Department, denn dort sieht man ihn eigentlich eher als den Verfolger und nicht als den Verfolgten.«
»Sie meinen, das FBI tut das«, sagte Roomer. »Sie haben ihn doch seit Jahren in Ihren Akten. Lord Worth vermittelt eigentlich den Eindruck, als könne er sich fabelhaft selber um seine Angelegenheiten kümmern.«
»Und genau das interessiert das State Department.«
»Was hat er dem State Department denn erzählt?«
»Vollendeten Unsinn. Sie wissen, daß er eine Bohrinsel im Golf von Mexiko hat?«
»Ja, die Meerhexe.«
»Er scheint den Eindruck zu haben, daß die Existenz der Bohrinsel bedroht ist. Und deshalb hat er Schutz verlangt. Und wie es sich für einen Milliardär gehört, hat er auch ganz bescheidene Wünsche geäußert: eine Lenkwaffenfregatte und ein paar startbereite Kampfflugzeuge – für alle Fälle.«
»Für was für Fälle?«
»Das ist ja das Tollste: Er hat sich geweigert, sich darüber zu äußern. Er sagte nur, er habe geheime Informationen bekommen – was ich durchaus für möglich halte. Leute vom Schlage Lord Worths haben ihre Spürhunde überall in der Welt.«
»Sie sollten uns alles sagen, was Sie wissen«, fand Mitchell.
»Das habe ich getan. Alles übrige sind Mutmaßungen. Wenn das State Department eingeschaltet wird, bedeutet das, daß fremde Länder in die Sache verwickelt sind, und im Augenblick liegen russische Kriegsschiffe in der Karibik. Das State Department riecht einen internationalen Zwischenfall – oder Schlimmeres.«
»Und
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