Die Meerhexe
ihn sein, den Tanker dort für eine erhebliche Summe zu verkaufen. Das Gespräch – wenn man einen derart heftigen Wortwechsel überhaupt so nennen konnte – endete abrupt.
»Eins steht jedenfalls fest«, sagte Mitchell, »Cronkite lügt wie gedruckt. Er ist nicht einmal in der Nähe von Südamerika, sonst wäre die Verbindung nämlich bedeutend schlechter gewesen. Und außerdem konnten wir ja hören, wie er seinem Freund Durand mitteilte, daß er nicht mit dem Hubschrauber herkommen würde – und der Flug dauerte nur ganze fünfzehn Minuten. Er treibt sich irgendwo da hinten herum – knapp hinter dem Horizont.«
»Wie ist's da unten gegangen?« fragte Lord Worth.
»Sie haben es ja von Cronkite gehört. Wir hatten keine Schwierigkeiten.«
»Erwarten Sie jetzt noch welche?«
»Allerdings. Cronkite war verdammt selbstsicher.«
»Und von wo müssen wir die Ihrer Meinung nach erwarten?«
»Da kann ich auch nur raten. Es ist sogar möglich, daß er das gleiche nochmal versucht.«
Lord Worth sah ihn ungläubig an. »Nach dem, was passiert ist?«
»Er könnte auf das Überraschungsmoment bauen. Aber wenn er das gleiche nochmal versucht, wird er sich einer anderen Taktik bedienen, dessen bin ich sicher. Ich bin überzeugt, daß er nicht mit einem Flugzeug oder einem Unterseeboot arbeiten wird, und wenn auch nur aus dem einen Grund, daß er keine Männer dafür hat – und die kann er gar nicht haben. Ich glaube also nicht, daß der Radarschirm oder die Sonare heute nacht etwas aufspüren werden. Und da wir gerade dabei sind: Ihr Funker könnte sicher ein paar Stunden Schlaf gebrauchen – für den Notfall hat er ja eine Alarm-Rufschaltung in seiner Kabine. Simpson dagegen würde ich noch nicht ins Bett schicken – es könnte wie gesagt durchaus sein, daß unsere Freunde sich nochmal an einem der Beine zu schaffen machen.«
»Aber diesmal würden sie doch mit uns rechnen«, sagte Palermo. »Sie würden nah an der Oberfläche arbeiten und bewaffnete Posten zur Bewachung der Taucher aufstellen und vielleicht sogar infrarote Suchscheinwerfer einsetzen, die wir von der Plattform aus nicht erkennen könnten. Sie und Sawyers hatten beim ersten Mal Glück, und Glück hängt eng mit dem Überraschungseffekt zusammen – diesmal hätten sie keins, weil es keine Überraschung mehr wäre.«
»Wir brauchen kein Glück. Lord Worth hätte nicht all die Wasserbomben stehlen und hierher bringen lassen, wenn nicht einer Ihrer Männer Spezialist auf diesem Gebiet wäre. Wer ist es?«
Palermo sah ihn nachdenklich an. »Cronin«, sagte er schließlich. »Ehemaliger Unteroffizier. Warum wollen Sie das wissen?«
»Er könnte die Sprengzünder so anbringen, daß die Wasserbombe sofort beim Auftreffen auf das Wasser oder kurz danach explodieren würde?«
»Ich nehme es an. Warum?«
»Wir legen jeweils drei Wasserbomben vielleicht fünfundzwanzig Meter von jedem Bein entfernt am Rand der Plattform aus – Ihr Freund Cronin könnte uns da hilfreich unter die Arme greifen, denn möglicherweise täusche ich mich ja auch mit der Entfernung. Wenn Simpson irgend etwas auf seinen Instrumenten sieht, stoßen wir einfach eine der Wasserbomben über den Rand der Plattform. Die Explosion dürfte eigentlich den Beinen der Meerhexe nichts ausmachen, und auch das Boot der Taucher wird kaum mehr als ein paar unsanfte Stöße abbekommen, aber für die Taucher im Wasser wäre die Explosion ganz sicher tödlich.«
Palermo sah ihn bewundernd an. »Für einen Mann, von dem man annimmt, daß er sich auf der richtigen Seite des Gesetzes bewegt, sind Sie ein ganz schön kaltblütiger Bursche, Mitchell.«
»Wenn Sie gerne sterben wollen, dann brauchen Sie es nur zu sagen. Ich könnte mir allerdings vorstellen, daß Sie es zweihundertsiebzig Meter unter der Meeresoberfläche ziemlich ungemütlich finden würden. Ich schlage vor, Sie holen Cronin und ein paar von Ihren Männern, damit die Wasserbomben richtig arrangiert werden.«
Mitchell ging mit, um Palermo, Cronin und zwei von ihren Kumpanen bei der Arbeit zu beobachten. Cronin hatte der von Mitchell vorgeschlagenen Entfernung von den Beinen zugestimmt. Als Mitchell noch dastand und zuschaute, kam Marina auf ihn zu. »Es müssen noch mehr Männer sterben, nicht wahr?«
»Ich hoffe nicht.«
»Aber hier werden doch gerade die Vorbereitungen für weitere Morde getroffen, oder?«
»Hier werden Vorbereitungen für unser Überleben getroffen.«
Sie packte ihn am Arm. »Tötest du
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