Die Meerhexe
Mitchell und Sawyers luden ihre Gewehre erneut und zerschnitten dann die Luftschläuche der beiden Opfer, die auch die Kabel für die Sprechverbindung enthielten.
Auf der Starlight merkten Easton und seine Leute sofort, daß da unten etwas ganz entschieden im argen lag. Die toten Männer wurden geborgen – die Harpunen steckten noch in ihrem Rücken –, und als sie über die Reling hereingezogen wurden, schrien zwei Mannschaftsangehörige vor Schmerz laut auf. Mitchell und Sawyers waren aufgetaucht und hatten zwei weitere Ziele gesucht und gefunden. Es war ihnen nicht möglich zu erkennen, ob die beiden tödlich oder nur schwer verwundet waren, denn Easton war der Ansicht, daß genug passiert sei. Er beeilte sich, schnell wegzukommen, und schaltete dazu auf die viel stärkeren Dieselmotoren um. Sie machten zwar einen gehörigen Lärm, aber die Dunkelheit war so undurchdringlich, daß es den alarmierten Scharfschützen auf der Plattform nicht möglich war, ein Ziel anzuvisieren.
Mitchell und Sawyers, die nun ihrerseits ihre Kopfscheinwerfer eingeschaltet hatten, schwammen zu der Stelle, wo die Minen und der Sprengstoff angebracht worden waren. Alle Minen und Sprengstoffpakete waren mit Zeitschaltuhren versehen, die die beiden Männer entfernten und auf den Meeresboden sinken ließen. Für alle Fälle montierten sie auch noch die Zünder ab. Dann wickelten sie die Sprengstoffgürtel vom Bein der Bohrinsel ab und übergaben sie ebenfalls dem Meer. Die Minen ließen sie klugerweise da, wo sie waren – zwar kannten sie sich beide mit normalem Sprengstoff aus, nicht aber mit Unterwassersprengstoff. Minen können sehr hinterlistig sein – ihre Hauptladung setzt sich aus TNT, Amatol oder anderem konventionellem Sprengstoff zusammen, aber in der Mitte haben sie eine Sprengkapsel, die aus allen möglichen, langsam brennenden Sprengstoffen bestehen kann. Oben auf der Sprengkapsel ist ein schwimmender Zünder befestigt, der durch Wasserdruck aktiviert wird und für gewöhnlich aus siebenundsiebzig Gran Knallquecksilber besteht. Selbst wenn man diesen Zünder entfernt, kann die Sprengkapsel unter großem Druck trotzdem explodieren. Keiner der beiden Taucher verspürte den Wunsch, die in den Meeresboden gerammten Anker oder die Kabel zu sprengen, die an den Ankern befestigt waren. Sie tauchten auf, kletterten in den Drahtkäfig, der sie zur Plattform brachte, und gingen direkt zum Funkraum. Sie mußten eine Weile warten, bevor sie ihren Bericht machen konnten, denn Lord Worth führte gerade ein alles andere als liebenswürdiges Gespräch mit Cronkite. Marina saß in einer Ecke. Ihre Hände lagen verkrampft im Schoß, und ihr Gesicht sah regelrecht grau aus. Sie schaute Mitchell an, wandte sich jedoch sofort wieder ab, als wolle sie nie wieder etwas mit ihm zu tun haben – und im Augenblick entsprach das ganz sicher auch ihrer ehrlichen Überzeugung.
Cronkite war außer sich. »Sie gottverdammter Mörder!« schrie er Lord Worth am Telephon an. »Drei von meinen besten Männern sind tot – alle haben eine Harpune im Rücken!« Unwillkürlich sah Marina zu Mitchell hinüber, und ihr Blick sagte deutlich, daß sie ihn für ein Ungeheuer hielt.
Lord Worth war nicht weniger aufgebracht als Cronkite. »Es wäre mir ein Vergnügen, den Vorgang wiederholen zu lassen – nur diesmal mit Ihnen als Zielscheibe.«
Cronkite schluckte hörbar und sagte dann: »Ich hatte lediglich vor, die Meerhexe vorübergehend lahmzulegen, ich wollte nicht, daß jemandem an Bord etwas passiert. Aber wenn Sie durchaus mit harten Bandagen kämpfen wollen – an mir soll's nicht liegen. Allerdings müssen Sie sich dann in vierundzwanzig Stunden nach einer neuen Bohrinsel umsehen – natürlich nur, wenn Sie das Glück haben sollten, die bevorstehende Katastrophe zu überleben. Ich werde das gute Stück nämlich in die Luft jagen.«
Lord Worth wurde allmählich wieder ruhiger. »Es wäre interessant, zu erfahren, wie Sie das machen wollen. Meinen Informationen zufolge sind Ihre Kriegsschiffe zu ihren Stützpunkten zurückbeordert werden.«
»Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Meerhexe zu vernichten.« Cronkite schien seiner Sache sehr sicher zu sein. »Inzwischen werde ich erst mal die Torbello entladen und versenken lassen.« In Wahrheit hatte er jedoch ganz und gar nicht vor sie zu versenken: die Torbello war ein in Panama registrierter Tanker, und Cronkite hatte eine ganze Menge Freunde in Panama – es würde also nicht schwierig für
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