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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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überstürzt aufgebrochen war.
    Sie hätte doch auf ihn warten sollen. Sie brauchte ihn doch.
    Was, wenn er sich gar nicht betrunken hatte, wie sie annahm, sondern überfallen worden war? Anstatt weiter nach ihm zu suchen, lief sie hier mutterseelenallein über einen verlassen wirkenden Hof, um einen Mann zu treffen, von dem sie nicht mehr wusste, als dass er augenscheinlich der Bruder ihrer Mutter gewesen war. Aber zählte er damit auch zu ihren Freunden? Ihre Mutter hätte diese Frage beantworten können, aber sie war tot. Und David … O David, dachte Henrika mit wachsender Panik. Wo bist du nur?
    Der Regen wurde heftiger; gleichmäßig prasselte er auf das dichte Laubdach der Bäume hernieder, unter deren Schutz sie sich über den stillen Hof bewegte.
    Ganz in ihrer Nähe brach ein Vogel mit schrillen Warnrufen aus dem Gebüsch.
    Ängstlich blieb Henrika stehen und suchte mit Blicken das Dickicht ab, aber alles, was sie sah, war eine zerborstene Vogeltränke aus Marmor, aus der das Regenwasser auf ein paar Steine plätscherte. Sie war allein, dennoch konnte sie sich des Gefühls nicht erwehren, beobachtet zu werden.
    Wenn hier draußen jemand auf sie lauerte, hatte sie keine Chance zu entkommen. Unterwegs hatte sie sich vergewissert, dass ihr niemand aus der Stadt gefolgt war. Nun aber zerbrach das Gefühl der Sicherheit, das sie auf der breiten Landstraße noch verspürt hatte, in tausend Stücke.
    Suchend blickte sie sich nach ihrem Onkel oder einem anderen Menschen um. Der Flame erwartete sie nicht, denn die Zeit hatte nicht ausgereicht, um ihm ihre Ankunft mitzuteilen.
    Im oberen Stockwerk des Gutshauses hoben sich drei Fenster in einem Erkervorbau von der strengen dunklen Backsteinfassade ab. Henrika blickte hinauf, glaubte einen Moment lang sogar, hinter den dünnen Butzenscheiben ein Gesicht zu sehen. Das Gesicht eines Mannes, der teilnahmslos auf die Wasserlachen des Hofes starrte. Doch es war verschwunden, ehe sie sich bemerkbar machen konnte.
    Als Henrika das Haus betrat, schlug ihr der muffige Geruch von abgestandener Luft und alten Möbeln entgegen. Unwillkürlich musste sie an das verlassene Haus denken, in das Laurenz sie in Straßburg geführt und in dem es vor Ratten nur so gewimmelt hatte. Auch diese Halle war offensichtlich lange nicht mehr gelüftet worden. Eine breite, mit verblichenen Webteppichen belegte Treppe, neben der ein Spinnrad stand, wand sich hinauf zu einer herrschaftlichen Galerie. Ihre Wände waren mit Verdüren geschmückt, die vermutlich ihr Onkel in seiner Weberei hergestellt hatte. Wenngleich verstaubt und an manchen Stellen zerschlissen, waren sie noch immer atemberaubend schön.
    «Mijnheer Marx?», rief Henrika mit zittriger Stimme. Sie erhielt keine Antwort. «Mijnheer Marx, seid Ihr hier?»
    Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss. Eine Falle, dachte Henrika, während sie sich auf dem Absatz herumdrehte.
    «Guten Morgen, Henrika.»
    Laurenz’ kräftiger Körper füllte den Türrahmen aus. Er war ebenfalls durchnässt und wirkte abgekämpft, als habe er soeben eine schwere Arbeit verrichtet. Sein Atem ging schwer und keuchend. Aber er ließ Henrika nicht aus den Augen.
    «Du», war alles, was Henrika herausbrachte. Sie hätte sich ohrfeigen können, weil sie nicht besser aufgepasst hatte. Nicht einmal eine Waffe hatte sie in ihrem Bündel mit Habseligkeiten versteckt.
    Laurenz funkelte sie kalt an, verzog aber die Lippen zu einem Grinsen. «Natürlich, mein Schatz, wer sonst als dein Bräutigam sollte dich hier empfangen? Hier, wo alles seinen Anfang nahm.»
    «Du bist nicht mein Bräutigam, Laurenz», rief Henrika. «Du bist nichts weiter als ein Mörder, der den Boten aus Antwerpen auf dem Gewissen hat. Wir haben dein Spiel durchschaut.»
    «Wir?» Plötzlich wirkte Laurenz nervös. Er sprang auf Henrika zu und packte sie bei der Schulter. «Du meinst David, diesen verdammten Narren, nicht wahr? Ich wollte ihm ebenso wenig etwas antun wie Barbara Carolus, die in Frankfurt hinter mir hergeschnüffelt hat.»
    «Barbara wird sich eines Tages an dich erinnern.»
    Er lachte gehässig. «Niemand würde dem kleinen Biest glauben. Und selbst wenn, was kümmert es mich dann noch? Mit dem Geld, das mir noch heute in den Schoß fallen wird, kann ich in der Neuen Welt ganze Heere von Sklaven für mich schuften lassen.»
    «Und wo ist David?»
    «Erst nimmt er mir mein Mädchen weg, dann wagt er es auch noch, meine Pläne zu durchkreuzen. Was nun geschieht, habt ihr beide euch selbst

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