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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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der ihr sogleich gefolgt war, das Kaninchen in den Arm und wandte sich der Frau zu. «Ihr seid also …»
    «Ich bin deine Tante, mein Kind», sagte Katharine Marx mit leiser Stimme. «Es tut mir so leid, ich hätte dich gleich erkennen müssen, denn du siehst meiner armen Schwester Maria so ähnlich. Aber wer hätte ahnen können, dass du ausgerechnet heute vor unserer Tür stehen würdest? Nach all den Jahren? Das heißt, eigentlich hätte ich vorbereitet sein müssen, denn Quinten deutete erst kürzlich an, dass ich bald mit einer Überraschung zu rechnen hätte. Ich dachte, er redete mal wieder von einem Wandbehang, den er im Auftrag irgendeines Fürsten weben müsse.» Katharine strich Henrika sanft über die Wange. «Du bist also tatsächlich nach Hause gekommen.»
    Sie kehrten ins Haus zurück. Im oberen Stockwerk brannte ein Feuer im Kamin, das behagliche Wärme spendete. Der Wohnraum war fast ebenso bescheiden eingerichtet wie die Diele im Erdgeschoss, verfügte jedoch über bequeme Ledersessel und einen weichen Teppich auf dem Steinboden, den vermutlich der Hausherr gewebt hatte.
    «Und wo finde ich Meister Marx, Euren Bruder?» Henrika nahm den Becher Milch, den ihr die alte Magd reichte, dankbar entgegen.
    «Er wurde heute früh in dringenden Geschäften aus dem Haus gerufen und ist noch nicht heimgekehrt. Vermutlich macht er noch einen Abstecher zum Gutshof am See, um dort nach dem Rechten zu sehen. Fast jeden Tag geht er dort hin.»
    «Ihr besitzt einen Hof an einem See?», fragte David. Henrika bemerkte, dass er ungeduldig wurde. Er freute sich mit ihr darüber, dass sie ihre Verwandten gefunden hatte, aber das löste noch nicht sein Problem mit Laurenz. Wenn die Dorfmagd die Wahrheit gesagt hatte, so war Laurenz nicht nach Antwerpen geritten, sondern drückte sich irgendwo in der Gegend von Oudenaarde herum. Im Haus der Verdürenmacher war er nicht gesehen worden, doch was besagte das schon?
    Unruhig rutschte David auf seinem Sessel auf und ab. Als es Zeit wurde, sich zu verabschieden, stand er sogleich auf und öffnete die Tür.
    «Ich würde euch gerne hier im Goedmeesterhuis unterbringen», erklärte Henrikas Tante mit einem bedauernden Kopfschütteln. «Aber vermutlich ist es besser, wenn ihr im Gasthof auf Quintens Rückkehr wartet. Als Oberhaupt der Familie gebührt ihm das Recht, dir deine Fragen nach Maria und deiner Herkunft zu beantworten. Ich fürchte nur, er hat zu viel Zeit verstreichen lassen.»

    «Ich kann dir gar nicht sagen, wie glücklich ich bin!»
    Im Gasthaus warf sich Henrika stürmisch in Davids Arme. Er umfing sie, warf sie auf den Boden der Kammer, die er gemietet hatte, und küsste sie mit einer Hingabe, die sie ihm niemals zugetraut hätte.
    Irgendwann schob Henrika ihn lachend von sich, weil ihr die Luft wegblieb. «Mein ganzes Leben habe ich mich nach den Menschen gesehnt, zu denen ich gehöre», sagte sie vergnügt. «Es erscheint mir wie ein Wunder, dass ich sie endlich gefunden haben soll.»
    «Ja, so scheint es wenigstens.»
    Henrika blickte David mit großen Augen an. Sie bemerkte, dass seine Miene sich mit einem Schlag verdüstert hatte. «Was ist denn nun schon wieder nicht in Ordnung, du Schwarzseher? Hast du meiner Tante nicht zugehört?»
    «O doch, ich habe ihr genau zugehört, auch wenn sie nicht mehr preisgab als das, was wir schon längst wussten. Allmählich habe ich genug von der Geheimniskrämerei dieser Flamen. Warum konnte Frau Katharine dir nicht einfach erklären, warum deine Mutter mit dir das Land verließ?»
    Henrika schlug die Bettvorhänge zurück und sank in den weichen Berg aus Leinen und Daunen, der über dem Strohsack lag. Sie verspürte keinerlei Gewissensbisse, weil sie die Wirtin beschwindelt und sich als Davids Weib ausgegeben hatte. Sie liebte ihn doch. Jawohl, sie spürte mit jeder Faser ihres Körpers, dass er zu ihr gehörte, so wie sie zu ihm. Trotz seiner dauernden Schwarzseherei. Ihn an ihrer Seite zu wissen gab ihr die Kraft, die sie brauchte, um auch noch den Rest ihres Weges zu gehen. Sie fürchtete sich nicht mehr vor Annas gemeinen Ränken oder Laurenz’ Drohungen.
    «Ich habe meine Familie gefunden und weiß nun, woher ich komme und … zu wem ich gehöre», sagte sie lächelnd.
    David musste sie missverstanden haben, denn er starrte sie verdutzt an, bevor er seinem Ärger mit harschen Worten Luft machte.
    «Na prächtig, dann weiß ich ja, woran ich bin. Ich vermute, ich werde hier nicht mehr gebraucht.» Ehe Henrika ihn

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