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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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zuzuschreiben.»
    «Ich war nie dein Mädchen und werde es auch niemals sein», widersprach Henrika, während sie versuchte, sich aus Laurenz’ Griff zu befreien. «Du hast doch Anna, die dir zu Willen ist. Oder willst du leugnen, dass du dich mit ihr verschworen hast? Was brauchst du mich da noch?»
    «Aber Laurenz, geht man so mit einer wohlhabenden Erbin um?», tönte plötzlich eine geschmeidige Stimme von der Galerie herab.
    Henrika holte tief Luft und gab es auf, sich gegen Laurenz zu wehren. Sie brauchte sich gar nicht erst umzudrehen, um zu wissen, dass Anna von Neufeld hinter ihr auf der Treppe stand und sie mit einem sanften Lächeln beobachtete.
    «Guten Tag, Henrika. Es ist eine ganze Weile her, nicht wahr?»
    Anmutig wie eine Fürstin schritt Anna die Stufen hinunter. Ihre Schritte waren auf der steinernen Treppe nicht zu hören.
    Sie hatte sich nicht verändert; wie gewöhnlich war sie elegant gekleidet und frisiert. Ihr schwerer, in Orangetönen gehaltener Brokatrock spannte sich, ohne ein Fältchen zu schlagen, über ein Drahtgestell und stand an den Hüften weit ab. Eine wertvolle Kette aus purem Gold schmückte ihren schlanken Hals. Über den Schultern trug sie einen weiten Kapuzenumhang aus nachtblauer Seide.
    Annas Kleider waren trocken, was darauf hinwies, dass sie bereits vor dem Regen auf dem Gutshof angekommen war.
    «Was willst du von mir?», fragte Henrika. «Warum verfolgst du mich? Genügt es nicht, dass du mich aus Mannheim vertrieben hast?»
    Anna verzog abschätzig das Gesicht. «Dieser Ort war niemals deine Heimat. Die Menschen dort mochten dich nicht. Sie fürchteten sich vor dir, was dich eigentlich mit Stolz hätte erfüllen sollen. Insbesondere nachdem du dich aus dem Staub gemacht und zwei Leichen zurückgelassen hast.»
    «Du weißt genau, dass ich Barthel nicht ermordet habe», schrie Henrika die junge Frau an. «Du bist es doch selbst gewesen. Du oder dein Helfershelfer, der schmierige Schuhmacher. Ihr habt dem Kräuterbier, das ich mit zur Brücke genommen hatte, ein Schlafmittel beigemengt, damit ich nicht hören sollte, wie du dir Zutritt zum Haus verschafftest. Aber warum, Anna? Sag mir doch, was hat Barthel dir zuleide getan?»
    Anna schnitt ihr mit einer Handbewegung das Wort ab. «Später, meine Liebe. Du wirst noch erfahren, was du wissen musst, um mir das zurückzugeben, was Barthel mir stehlen wollte. Ja, du hast richtig gehört. Er war im Besitz von Diebesgut oder wusste zumindest, wo es sich befand. Die Diebin selbst war deine gebrandmarkte Mutter, diese Hure.»
    «Das ist eine Lüge!»
    Anna hob die Hand, sie war nicht gewillt, sich noch länger mit Henrika auseinanderzusetzen. Stattdessen wies sie Laurenz an, ihre Gefangene zunächst einzusperren, bis sie bereit war, sich ihr erneut zu widmen.
    Der Raum, in den Laurenz sie brachte, befand sich am Ende eines dunklen kleinen Flurs. Vermutlich schien er Anna als Kerker geeignet, weil er vergitterte Fenster und eine schwere Eichentür hatte. Zu entkommen war unmöglich. Henrika wehrte sich verbissen, konnte aber nicht verhindern, dass Laurenz sie mit einem heftigen Stoß über die Schwelle beförderte. Hässlich knirschte der Riegel, als er von außen vor die Tür geschoben wurde.
    Als Henrika sich umwandte, bemerkte sie, dass sie nicht allein im Raum war. Vor dem spitz zulaufenden Fenster stand ein gut gekleideter Mann mittleren Alters. Er war groß und wirkte trotz eines leichten Bauchansatzes schlank. Sein ergrautes Haar, das unter einer schwarzen Seidenkappe hervorlugte, war ein wenig zu kurz geschnitten, um der herrschenden Mode zu entsprechen. Noch bevor der Mann ein Wort sagen konnte, wusste Henrika, dass sie den Verdürenmacher Quinten Marx vor sich hatte. Anna und Laurenz hielten ihn in seinem eigenen Haus gefangen.
    «Wisst Ihr, wer ich bin, Mijnheer?», fragte Henrika, nachdem sie sich ein wenig gefangen hatte.
    Der Mann nickte. «Du bist die kleine Henrikje, Marias Tochter. Ich wollte dich in Straßburg aufsuchen, nachdem ich deine Nachricht erhielt, doch man sagte mir, du seiest auf Reisen.»
    «Ich stehe im Dienst des Straßburger Zeitungsdruckers Johannes Carolus. Vielleicht habt Ihr von seiner Gazette gehört? Sie heißt Relation .»
    Quinten Marx lächelte nachsichtig, aber ihm war anzusehen, dass ihm die Gazette nichts sagte.
    «Also bist du den weiten Weg bis nach Flandern gereist, um mich zu sehen», sagte er in einem Ton, der Henrika verriet, dass ihr Onkel dies für eine große Torheit

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