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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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unbeschwert, skrupellos und wagemutig. Ich sende Telegramm um Telegramm, aber ich erfahre kein Wort über sein früheres Leben. Vor zehn Jahren war er in Kanada, aber seitdem – Schweigen. Mein Verdacht wächst. Dann finde ich eines Tages einen kleinen Zettel auf dem Weg, den er eben gegangen war. Auf dem Zettel steht eine Adresse – die Adresse eines Hauses in Dover. Später lasse ich wie zufällig den gleichen Zettel fallen. Aus dem Augenwinkel beobachte ich, wie dieser Herzoslowake Boris den Zettel aufhebt und ihn seinem Herrn bringt. Die ganze Zeit schon bin ich überzeugt, dass dieser Boris ein Bruder der Roten Hand ist. Wir wissen auch bereits, dass die Bruderschaft mit König Victor zusammenarbeitet. Ja, ich war misstrauisch, sehr misstrauisch!
    Aber ich werde entwaffnet, denn Mr Cade bringt mir den Zettel und fragt mich, ob ich ihn verloren habe. Wie schon gesagt: Ich bin entwaffnet – aber mein Misstrauen bleibt. Denn es kann wohl bedeuten, dass er unschuldig ist, es kann aber auch nur ein sehr, sehr schlauer Schachzug von ihm sein. Natürlich behaupte ich, den Zettel nicht zu kennen. Aber sofort ziehe ich Erkundigungen ein, und heute Nachmittag habe ich den Bericht erhalten: Das betreffende Haus in Dover wurde bis gestern von einer Anzahl Ausländer bewohnt. Kein Zweifel, dass es König Victors Hauptquartier war.
    Verstehen Sie, was das bedeutet? Mr Cade verschwindet in größter Hast aus Chimneys, denn seit dem Augenblick, da er den Zettel verlor, muss er gewusst haben, dass das Spiel für ihn verloren ist. – Was mag sein nächster Schritt sein? Ich ahne es nicht. Sicher jedoch ist es, dass Mr Cade nicht wieder nach Chimneys kommt. Wenn aber jemand König Victor so genau kennt wie ich, dann weiß er auch, dass er sicher noch einen letzten Versuch machen wird, den Stein in die Hände zu bekommen. Und dabei werde ich ihn fassen!»
    Virginia stand plötzlich auf. «Sie vergessen dabei aber eines, Monsieur Lemoine: Mr Cade ist nicht der Einzige, der gestern unter verdächtigen Umständen verschwand.»
    «Sie meinen, Madame –»
    «Ich meine, dass Ihre Anschuldigungen ebenso gut auf Mr Hiram Fish zutreffen.»
    «Oh, Mr Fish!»
    «Jawohl, Mr Fish. Hatten Sie uns nicht am ersten Abend schon erklärt, dass König Victor erst kürzlich aus Amerika gekommen sei? Auch Mr Fish kam aus Amerika. Ich gebe zu, dass er ein Empfehlungsschreiben einer bekannten Persönlichkeit vorwies, aber eine solche Kleinigkeit dürfte König Victor sicher keine Schwierigkeiten bereiten. Er ist auf keinen Fall das, was er zu sein vorgibt. Lord Caterham ist es bereits aufgefallen, dass Mr Fish das Reden stets seinem Partner überlässt, sobald das Gespräch auf Erstausgaben von Büchern kommt, deretwegen er doch nach Europa gekommen sein will. Es gibt noch weitere Verdachtsmomente gegen ihn. In der Mordnacht war sein Zimmer erleuchtet. Dann diese andere Nacht im Ratssaal – er war vollständig angezogen, als ich mit ihm auf der Terrasse zusammenstieß. Auch den Zettel kann er ebenso gut verloren haben wie Mr Cade, denn Sie haben nicht selbst gesehen, wann er zu Boden fiel. – Vielleicht ist Mr Cade tatsächlich nach Dover gefahren. Wenn er es aber tat, dann sicher nur, um etwas auszukundschaften. Vielleicht ist er dort gefangen worden. Ich finde, dass viel mehr Anhaltspunkte auf Mr Fish hinweisen als auf Mr Cade.»
    Die Antwort des Franzosen klang beißend:
    «Von Ihrem Standpunkt aus mag das stimmen, Madame. Ich will das nicht leugnen. Und ich gebe auch zu, dass Mr Fish nicht der ist, der zu sein er vorgibt.»
    «Nun, dann –»
    «Mr Fish ist ein Mann von Pinkerton, der weltbekannten Detektiv-Agentur.»
    «Wie?», schrie Lord Caterham.
    «Jawohl, Lord Caterham. Er ist aus Amerika gekommen mit dem Spezialauftrag, König Victor zu fassen. Inspektor Battle und ich wissen das bereits seit einiger Zeit.»
    Virginia sagte nichts. Sie setzte sich wieder. Die Worte des Franzosen hatten ihr ganzes Gebäude mit einem Schlag vernichtet.
    «Sie sehen», fuhr Lemoine fort, «alles wies darauf hin, dass König Victor nach Chimneys kommen würde. Hier war der einzige Platz, wo wir hoffen konnten, ihn zu erwischen.»
    Virginia blickte mit einem eigenartigen Glitzern in den Augen auf, und plötzlich lachte sie. «Sie haben ihn aber noch nicht!»
    Lemoine schaute sie neugierig an.
    «Nein, Madame – aber es wird mir gelingen.»
    «Immerhin ist er berühmt dafür, dass er die Polizei an der Nase herumführt.»
    Das Gesicht des Franzosen rötete

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