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Die Memoiren des Grafen

Die Memoiren des Grafen

Titel: Die Memoiren des Grafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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über die Mauer und fiel auf die Straße.
    «Hallo!», schrie Anthony.
    Bundle war so überrascht, dass der Wagen ins Schleudern kam; doch es gelang ihr, ihn ohne Schaden wieder in den Griff zu kriegen. Anthony rannte ihr nach, öffnete die Tür und ließ sich neben Bundle auf den Vordersitz fallen.
    «Ich fahre mit Ihnen nach London», erklärte er. «Es war von Anfang an meine Absicht gewesen.»
    «Ein außergewöhnlicher Mensch», murmelte Bundle. «Was halten Sie da in der Hand?»
    «Nur ein Streichholz», erwiderte Anthony. Nachdenklich betrachtete er es. Es war hellrot mit gelbem Kopf. Sorgfältig steckte er es in seine Tasche.

24
     
    « E s macht Ihnen wohl nichts aus, wenn ich rasch fahre?», meinte Bundle nach einer Weile.
    «Es gibt Menschen», beklagte sie sich, «die über mein Fahren entsetzt sind. Mein guter alter Vater zum Beispiel. Keine zehn Pferde bringen ihn dazu, in dieses alte Vehikel zu steigen.»
    Innerlich gab Anthony Lord Caterham völlig recht. Mit Bundle zu fahren war kein Sport für ältere Herren.
    «Aber Ihnen macht es anscheinend nichts aus», fuhr Bundle anerkennend fort, als sie auf zwei Rädern eine Kurve nahm.
    «Ich bin abgebrüht, wissen Sie. Außerdem bin ich selbst in großer Eile.»
    «Soll ich noch etwas Gas geben?»
    «Großer Gott, nein!», rief Anthony hastig.
    «Ich brenne vor Neugier zu erfahren, was der Grund zu Ihrem plötzlichen Aufbruch ist», sagte Bundle. «Aber wahrscheinlich darf ich nicht fragen. Sie wollen doch nicht etwa der so genannten Gerechtigkeit entgehen?»
    «Darüber bin ich mir selbst noch nicht klar», entgegnete Anthony. «Aber ich werde es bald wissen.»
    «Dieser Mann von Scotland Yard ist gar kein solcher Trottel, wie ich anfänglich glaubte», meinte Bundle nachdenklich.
    «Battle ist ein grundgescheites Haus», gab Anthony zu.
    «Wie lange kennen Sie Virginia eigentlich schon?», fragte sie plötzlich.
    «Die Frage ist schwer zu beantworten», sagte Anthony wahrheitsgemäß. «Tatsächlich habe ich sie noch nicht oft getroffen, und dennoch scheint mir, als würde ich sie seit Ewigkeiten kennen.»
    «Virginia ist gescheit», bemerkte sie sachlich. «Sie schwatzt ständig Unsinn, aber sie hat einen klugen Kopf. In Herzoslowakien hat sie sich prachtvoll gehalten. Wenn Tim Revel länger gelebt hätte, würde er große Karriere gemacht haben – dank Virginia. Sie hat sich voll für ihn eingesetzt, und ich weiß auch, warum.»
    «Weil sie ihn liebte?» Anthony blickte starr geradeaus.
    «Nein, weil sie ihn nicht liebte. Verstehen Sie das nicht? Sie liebte ihn nicht, und gerade deshalb tat sie alles für ihn.»
    «Sie scheinen das ja sehr genau zu wissen.»
    «Ich weiß genau Bescheid. Natürlich war ich noch ein Kind, als sie heirateten, aber ich hörte so Verschiedenes. Und da ich Virginia gut kenne, kann ich zwei und zwei zusammenzählen. Tim Revel war ganz verschossen in Virginia. Er war Ire, wissen Sie, und ein sehr attraktiver Junge. Virginia war damals erst achtzehn und konnte nirgends hingehen, ohne über Tim und seine Trauermiene zu stolpern. Immerzu beschwor er sie und behauptete, er würde sich erschießen oder zu trinken anfangen, wenn sie ihn nicht erhöre. Virginia hatte das Gefühl einer Schuld ihm gegenüber, darum gab sie schließlich nach und heiratete ihn. Und ich kann Ihnen sagen: Sie war wie ein Engel zu ihm. Hätte sie ihn geliebt, dann wäre sie viel weniger engelhaft gewesen. Es steckt nämlich auch ein ganz netter Teufel in Virginia. Aber eines muss ich Ihnen sagen: Sie liebt ihre Freiheit. Und wer sie dazu bringen will, diese Freiheit aufzugeben, wird es schwer haben.»
    «Warum erzählen Sie mir das alles?», fragte Anthony langsam.
    «Es ist doch ganz interessant, etwas über einen anderen Menschen zu erfahren, nicht wahr?», antwortete Bundle leichthin.
    «Ja», bekannte Anthony.
    «Und Virginia würde es Ihnen niemals sagen. Aber Sie dürfen mir jedes Wort glauben. Virginia ist ein prächtiger Mensch. Sogar Frauen mögen sie, weil sie gar nicht boshaft ist. – Und auf jeden Fall», schloss Bundle etwas zusammenhanglos, «auf jeden Fall muss man gerecht sein, nicht wahr?»
    «Sicherlich», bestätigte Anthony. Er begriff nicht, was Bundle veranlasst hatte, ihm so weitgehende Auskünfte über Virginia zu erteilen, ohne dass er danach gefragt hatte.
    «Hier fängt schon der Stadtverkehr an», seufzte Bundle.
    «Kein schlechtes Tempo, nicht wahr?», lobte sie sich mit einem Blick auf ihre Armbanduhr.
    Anthony stimmte ihr

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