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DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums

Titel: DIE MEROWINGER: Letzte Säule des Imperiums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Westtor fre i. In einer Stunde wirst du nicht mehr von hier fortkommen. Oh, ich bin stolz auf dich, ich bewundere dich! Ich hielt dich immer für einen schlechten Verlierer. Aber du zeigst Größe im Untergang. Als Held wirst du sterben!«
    Sie küsste ihn, drückte seine Hand und sah ihn mit einem langen, schmerzerfüllten Blick an. Seine Lippen bebten, aber er reckte das Kinn und drückte den Helm, den er der Bequemlichkeit halber in den Nacken geschoben hatte, fest in die Stirn.
    Er war sich bewusst, dass er diesen erhabenen Augenblick nicht verderben durfte.
    »Ich bin entschlossen!«, sagte er. »Ich weiß, was ein römischer Feldherr in meiner Lage zu tun hat. Varus hat uns das Beispiel gegeben.«
    Der Legat Quinctilius Varus hatte sich vor knapp fünfhundert Jahren nach einer Niederlage gegen germanische Haufen in sein Schwert gestürzt.
    »Leb wohl!«, sagte Scylla noch einmal und fügte einen Schluchzer hinzu.
    Dann wandte sie sich rasch ab und eilte leichtfüßig den Wehrgang entlang zur nächsten Leiter.
    Kapitel 2
    Syagrius sah sie hinuntersteigen, und erst jetzt wurde ihm bewusst, dass er an der Brustwehr allein war. Auch die Bogenschützen waren fort, verschwunden die Bedienungsmannschaften der Wurfgeschütze. Die Wachtürme links und rechts waren nicht mehr besetzt. Unten auf dem Feld vor der Stadt hielt das Gemetzel noch an, aber nur an den Rändern.
    Seltsamerweise hatten sich nunmehr, da alles entschieden war, die Nachhut und die Reserve der Franken noch in Bewegung gesetzt, um auf kleine, versprengte, ungefährliche Grüppchen der Legionäre Jagd zu machen.
    In der Mitte hatten die fränkischen Reiter schon einen Kreis gebildet, in dem Hunderte Gefangene zusammengetrieben waren. Und an die tausend lagen verwundet oder tot im Grase der Flusswiesen.
    Da packte Kleinmut den eben noch so heroisch Entschlossenen. Er war einer Ohnmacht nahe. Es drängte ihn fort, seine Füße trotzten seinem ehernen Willen und trugen ihn davon.
    Um auf den Bohlen des Wehrgangs nicht auszugleiten, tastete er sich mit beiden Händen an den rauhen Steinen der Brustwehr entlang. Keuchend und schwitzend gelangte er an die Leiter. Eine schadhafte Sprosse brach unter seinem Gewicht. Mit einem kläglichen Schrei glitt er die restlichen sechs, sieben Fuß hinab und fiel hin. Er verspürte einen Schmerz in der Schulter, raffte sich aber auf, sah sich um.
    Die zwanzig Männer seiner Leibwache, die ihn herbegleitet hatten, waren ebenso verschwunden wie die Diener mit seiner Sänfte. Das Gefühl, von allen verlassen und verraten zu sein, übermannte ihn. Tränen traten ihm in die Augen.
    In seiner Verwirrung schlug er den falschen Weg ein, wankte an der Mauer entlang in Richtung des Nordtors.
    Ein paar Frauen kamen ihm entgegen, schrien ihm etwas zu, liefen vorüber. Ein hochbeladener Wagen, von vier Pferden gezogen, raste heran und streifte ihn. Vom Verdeck fiel eine Kiste herab, traf ihn wie ein Geschoss und warf ihn zu Boden. Und nur der Umstand, dass er noch immer den Helm mit dem roten Busch trug, rettete den letzten Statthalter Roms in Gallien vor einem zufälligen und schmählichen Ende.
    Er lag noch im Staub, als ihn Hände ergriffen und hochzerrten. Er wehrte sich heftig, schrie, schlug um sich – das mussten ja schon die Franken sein! Gleich würden sie ihn vor Chlodwig schleppen, demütigen, foltern und umbringen.
    Eine Stimme sprach heftig auf ihn ein. Er brüllte dagegen und protestierte gegen diese Behandlung. Doch plötzlich erkannte er die Stimme. Als er aufblickte, sah er Leunardus.
    Voll tiefer Besorgnis starrte der Weißbart ihn an.
    »Patricius!«, sagte er hastig. »Komm zu dir! Was tust du hier? Es ist höchste Zeit! Sie werden gleich hier am Nordtor sein. Aber wir kommen noch fort. In ein paar Tagen sind wir in Paris!«
    »Wo sind meine Leute?«, keuchte Syagrius.
    »Kümmere dich nicht um sie. Die meisten sind schon übergelaufen. Alle Wachen ergeben sich. Die Schlacht ist verloren, aber du kannst dich noch retten. Du hast noch andere Städte und Festungen. Und ein paar hundert Mann sind dir treu geblieben. Wir konnten auch noch einen Teil des Schatzes hinausschaffen. Auch deine Gemahlin ist schon fort.«
    »Wie? Sie ist fort? Titia ist ohne mich aufgebrochen?«
    »Verzweifelt. Sie hatte Fieberanfälle. Aber sie konnte noch ihre Juwelen hinausbringen.«
    Diese Mitteilung hatte eine ernüchternde Wirkung auf den Patricius.
    Plötzlich empfand er Selbstmitleid, Zorn und Empörung. Er hatte sich in sein Schwert

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