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Die Merowinger - Zorn der Götter

Die Merowinger - Zorn der Götter

Titel: Die Merowinger - Zorn der Götter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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Chundo, lautlos hin- und herhuschend, seine Anordnungen traf, erholte sich die Hochzeitsgesellschaft von Donars Begrüßung. Die Damen brachten sich, so gut es ging, in Ordnung, und alle stellten sich in der Mitte der Halle in zwei langen Reihen vor den Tischen auf.
    Chlodwig führte seine Braut auf das Podium an der Stirnseite, wo er auch später allein mit ihr Platz nehmen wollte. Im Laufe der Jahre war er infolge der Strapazen des Krieges und der häufigen Ortswechsel in seinem Auftreten und seiner Kleidung wieder nachlässig geworden. Doch jetzt hatte er sich erneut an Alexander und Roxane erinnert. Wie viel näher kam ja auch Chlotilde jener Herrscherin auf dem Wandbild! So mussten die Goldschmiede, Schneider und Schuster des Palastes ihr Bestes geben, um ihn dem großen Vorbild wieder ähnlich zu machen – und es gelang ihnen vollendet. Auch Chlotilde wirkte freilich – wie früher Sunna – sehr klein neben ihm, dazu noch zart und zerbrechlich, aber die ruhige Würde und die vollendete Anmut ihres Auftretens glichen alles aus. Sie trug nach römischer Sitte eine lang fließende weiße tunica regilla zum roten Brautschleier und hatte das Haar, wie es ebenfalls einem von den Römern übernommenen Hochzeitsbrauch entsprach, in sechs Zöpfe geflochten. Eine zweireihige Perlenkette war ihr einziger Schmuck.
    Einer der burgundischen Herren trat vor und begann mit der Verlesung des Ehevertrags. Penibel waren darin alle Posten des Brautschatzes und der Mitgift aufgeführt, dazu die Städte und Dörfer des Wittums für den Fall, dass der König vor seiner Gemahlin starb. Zugleich übernahm nun Chlodwig als Ehemann die Rechte und Pflichten des Muntwalts vom bisherigen Vormund Chlotildes, König Gundobad. Er drückte sein Siegel in das Wachs, das Bobo auf das Pergament tropfen ließ, und übergab den Verwandten der Braut einen Beutel mit Goldstücken, womit symbolisch an die uralte Sitte des Brautkaufs erinnert wurde. Dann beugte er sich herab und tauschte mit Chlotilde den Brautkuss.
    Da ertönte nun plötzlich von hoch oben die helle Knabenstimme mit einem »Benedicamus Domino« . Die Gäste, die den Zeremonien schon nicht mehr sehr aufmerksam folgten und sich munter unterhielten, spitzten die Ohren und reckten die Nasen zur Galerie hinauf. Auch die Braut, der die Stimme bekannt vorkam, blickte lächelnd hinauf und freute sich über die fromme Überraschung. Hinter den dickbäuchigen Balustern der Galerie war der Sänger nicht zu sehen. Die klaren, reinen, süßen Töne schienen einer unsichtbaren Kehle zu entströmen.
    »Das Wunder!«, flüsterte Albofleda ihren Schwestern zu. »Seht doch den heiligen Mann dort!«
    Der Diakon Chundo lag bereits auf den Knien und rief: »Das ist ein Engel! Meine Gebete wurden erhört! Ein Engel ist zu uns herabgestiegen!«
    Doch da passierte das erste Missgeschick. Der schöne Gesang brach plötzlich ab, denn der Engel musste niesen. Er nieste gleich dreimal hintereinander.
    Einige fränkische Herren lachten. »Dein Engel hat sich erkältet«, spottete Ursio. »Donars Wetter verträgt er nicht!«
    »Singe weiter, Abgesandter des Herrn!«, schrie Chundo. » Benedicamus! Benedicamus! Lobpreisen wir Gott, der das hohe Paar segnet! Wo sind die geflügelten Boten, die die frohe Kunde in die Welt tragen? Die geflügelten Boten!«
    Der Engel setzte abermals an und sang, und nun begriffen endlich die Vogelsteller unter den Tischen, dass es Zeit war, die Deckel der Körbe zu lupfen. Einige dachten sogar daran, die Tischtücher anzuheben.
    Die ersten scheuen, verängstigten Vöglein hüpften hervor. Sie hoben auch ab, um zu fliegen, doch waren sie noch viel zu benommen, um geradenwegs durch das offene Portal ins Freie zu segeln. Sie flatterten aufgeregt umher, gerieten den Gästen zwischen die Beine und einigen Damen sogar in die Haare. Die kreischten auf und schlugen um sich.
    Männerhände haschten nach den geflügelten Boten, und einige wurden gefangen und totgequetscht. Trotzdem vermehrte sich ihre Schar. Unter allen Tischen wurde es lebendig. Manche setzten zum großen Flug an, fanden jedoch noch immer den Ausgang nicht. Sie stießen gegen die Wände, machten kehrt und ließen sich wieder auf Köpfen und Schultern nieder. Anderen schlug die Angst auf den Vogeldarm, und mehrere seidene Festgewänder wurden beschmutzt.
    Endlich fanden die ersten hinaus. Aber die meisten kreuzten weiter im Tiefflug durch die Halle, hüpften auf den gedeckten Tischen umher, verfingen sich in Haarnetzen und

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