Die Merowinger - Zorn der Götter
Halstüchern. Ein Schnabel pickte ins Ohr Albofledas. Eine Kralle ritzte das kahle Haupt des Remigius. Mehrere Damen, die von Flügeln gestreift wurden, sanken in Ohnmacht.
Während rings um ihn alles in Aufregung war, lag der Diakon Chundo noch immer auf den Knien. Er konnte jetzt nur noch beten, dass er heil aus der Halle herauskam. Es sollte nicht sein.
Mehrere seiner Helfer waren schon von den fränkischen Herren an Haaren, Nasen und Ohren unter den Tischen hervorgezogen worden. Mit Schlägen und Fußtritten trieb man sie hinaus. Schließlich wurde er selber von einer riesigen roten Faust gepackt und zum Ausgang geschleppt. Er flog die Treppe hinunter und schlug sich das Knie auf.
»Teure Gemahlin«, sagte Chlodwig lachend zu Chlotilde, »du musst zugeben, dass auf deinen Christengott kein Verlass ist. Er schickt dir einen Engel, der Schnupfen hat, und seine geflügelten Boten finden den Weg nicht. Mit so einem lässt man sich besser nicht ein!«
Kapitel 4
Der obige Ausspruch fiel bereits während des Hochzeitsmahls, das zwar mit etwas Verspätung begann, doch dafür umso länger dauerte, nämlich bis zum frühen Morgen.
Zur Nacht begleiteten die Gäste, soweit sie noch dazu imstande waren, das königliche Brautpaar ins Schlafgemach, wo es, wie üblich vor aller Augen, das Bett bestieg. Chlodwig erschien am Morgen in bester Laune vor den Überbleibseln des Gelages und zeigte stolz ein Betttuch herum, auf dem sich ein paar kleine Blutflecke befanden.
Später versammelten sich alle noch einmal zur Überreichung der Morgengabe an die Braut. Sie bestand aus drei Städten in der Francia, mehreren reichen Gütern in der Umgebung der Hauptstadt und der ehemaligen Stadtvilla der Sabauder. Diese Letztere sollte in das Palastareal einbezogen werden, und es war der Eigentümerin ausdrücklich zugestanden, sie auch zur Ausübung ihrer Glaubenspflichten zu nutzen.
Als dies im Namen Chlodwigs von dem neuen Referendar, Jullus’ Nachfolger, verlesen wurde, gab es unter den Teilnehmern der Feier eine Bewegung, und man sah, wie Lanthild raschen Schrittes die Halle verließ.
Draußen brach sie in Tränen aus.
Sie ging zu den Ställen, schwang sich auf ihr Pferd und ritt hinaus, um allein zu sein. Die Erlebnisse der letzten Zeit hatten sie angegriffen. Sie litt schwer darunter, von einer Niederlage zur andern gestolpert zu sein. Nun war auch die Hoffnung dahin, die schöne Villa zum Amtssitz des Comes und Gerichtsgebäude umzugestalten. Eine prächtige römisch-katholische Kirche würde die Frau Königin daraus machen!
Am meisten bedrückte Lanthild aber der nun unmittelbar bevorstehende Abschied von Audofleda. In den nächsten Tagen sollte die Schwester abreisen.
Ein solcher Abschied war gewöhnlich ein endgültiger, denn die großen Entfernungen und die unsicheren Verkehrswege ließen gegenseitige Besuche kaum zu, selbst wenn die Herrscher miteinander befreundet waren. Man konnte sich natürlich schreiben, doch was waren ein paar dürftige Zeilen auf Pergament oder Papyrus gegen die Allgegenwart eines geliebten Menschen, mit dem man vom ersten Augenblick bewusster Wahrnehmung an zusammen war!
Vielleicht war Lanthild sogar diejenige, der die bevorstehende Trennung am meisten zu schaffen machte. Audo hatte zwar nach dem Verrat des Jullus schlaflose Nächte, und sie vergoss viele Tränen. Doch hatte sich dann ihr Naturell, das dazu neigte, die Dinge leicht zu nehmen, allmählich mit dem ohnehin Unabänderlichen abgefunden.
Viel dazu beigetragen hatte der Bischof Albilas, der die Gesandtschaft der Ostgoten leitete. Dieser noch junge, heitere, lebensfrohe und zungenfertige Mann verstand es, sie auf sein schönes Land Italien neugierig zu machen und seinen Landesherrn, den König Theoderich, in so vorteilhaftem Licht darzustellen, dass Audo sich fast schon ein bisschen in ihn verliebte.
Während sich Lanthild im Abschiedsschmerz verzehrte, war sie jetzt vollauf damit beschäftigt, ihre Kleider, ihren Schmuck und die Kodizes mit ihrer Lieblingslektüre in Truhen zu verstauen und das Beladen der zwanzig Wagen mit ihrem Reisegepäck und dem Brautschatz zu überwachen.
Albilas wich dabei kaum von ihrer Seite, gab Ratschläge, spielte den Unverzichtbaren. Ganz nebenbei hielt er ihr schon kleine Vorträge über den neuen Glauben, zu dem sie sich als Königin der Ostgoten selbstverständlich bekennen musste, dem arianischen Christentum. Während der langen Reise wollte er die Unterweisungen fortsetzen.
An der Hochzeitstafel
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