Die Merowinger - Zorn der Götter
Gespräch, während sie ziellos am Ufer der Aisne entlangritt. Einen Augenblick lang stellte sie sich vor, wie wohl alles gekommen wäre, hätte damals Audo und nicht sie das Kind von Ansoald gehabt. Dann wäre wahrscheinlich sie jetzt Königin der Ostgoten geworden. Denn Albo wäre von Chlodwig gewiss übergangen worden.
Bei diesem Gedanken holte ihr Kummer sie wieder ein. Bis jetzt war sie die Erste am Königshof der Franken gewesen. Künftig würde sie nur noch die Zweite sein – hinter der Königin Chlotilde, die den Bruder schon ganz für sich eingenommen hatte und mühelos ihren Willen durchsetzte. Plötzlich duldete er, dass die »Christianer« sogar im Palastareal ihren Kult ausübten. Dazu schenkte er ihr das schönste Haus in der Stadt!
Lanthild war ihrem Bruder sehr ähnlich und wäre vielleicht ein weiblicher Chlodwig geworden, wenn die Umstände es gefügt hätten. So konnte sie nur ihre Ohnmacht verfluchen. Unternehmen musste sie aber trotzdem etwas, um ihren Protest zum Ausdruck zu bringen. Irgendetwas, womit sie die ungeliebte neue Schwägerin treffen konnte.
Sie dachte nach, und schließlich hatte sie es. Am leichtesten war Chlotilde zu kränken, wenn man ihren Glauben herabsetzte. Und ganz besonders empfindlich war sie, wenn das durch die anderen »Christianer« geschah, die sich nach ihrem Lehrmeister, einem Bischof Arius, Arianer nannten.
So war es während des Hochzeitsfestes zwischen ihr und Albilas zu einem lebhaften Wortwechsel gekommen. Er hatte den Jesus Christus, der für sie ein Gott war, als einen Propheten bezeichnet, dem auch Irrtümer unterlaufen seien. Da kam ihr zum ersten Mal ihre Sanftmut und freundliche Würde abhanden. Sie verlangte erregt, er solle schweigen und seine falschen Lehren für sich behalten.
Chlodwig war dieser Ausfall gegenüber Theoderichs Gesandtem etwas peinlich. Er tat so, als habe er ihn nicht mitbekommen, und Remigius musste sich ins Mittel legen, damit die Königin sich beruhigte.
Ja, das war es, womit man sie treffen konnte!
Lanthild beschloss, zu den »Christianern« zu gehen und ihren Glauben anzunehmen – doch nicht den römisch-katholischen, sondern den der Arianer!
Dieser Entschluss belebte sie wieder, er heiterte sie geradezu auf. Und als fürchtete sie, dass ihr der Mut zu diesem Schritt (auch ihr Bruder würde ja nicht erbaut sein) wieder abhandenkommen könnte, hielt sie es für das Beste, unverzüglich zur Tat zu schreiten. Sie kehrte zurück in die Stadt und machte sich gleich auf die Suche nach Albilas. Sie fand ihn in Audos Gesellschaft auf dem Palasthof, wo beide gerade das elegante, zweirädrige Carpentum bestiegen, den bischöflichen Reisewagen. Sie wollten einen arianischen Presbyter besuchen, einen gebürtigen Goten, der einer kleinen Gemeinde vorstand. Ohne sich weiter zu besinnen, stieg Lanthild mit ein und schloss sich an.
»Ich habe genug von den alten Göttern«, maulte sie, als sie die Stadt verlassen hatten und der leichte Wagen über den Sandweg rasselte. »Soviel man auch immer bittet und opfert – es nützt nichts, es geht trotzdem alles daneben. Du kannst dich freuen, Audo, du bekommst einen neuen Gott. Der kann vielleicht mehr.«
»Bestimmt kann er mehr, meine liebe Herrin!«, sagte der fröhliche, rundgesichtige Bischof, der, auf der schmalen Sitzbank wohlig eingezwängt zwischen den beiden jungen Damen, selber kutschierte. »Er kann alles, er ist ja allmächtig. Du solltest ihn auf die Probe stellen. Bete zu ihm – und du wirst sehen!«
»Oh ja!«, rief Audo. »Das wäre wunderbar, Hildchen! Wenn wir zum selben Gott beten – du hier, ich in Ravenna –, dann denken wir jedes Mal aneinander und helfen uns mit unseren Gebeten.«
»Glaubst du? Glaubst du das wirklich?«
»Bestimmt! Und was er der einen nicht gewährt, gewährt er der anderen.«
»Eine doppelte Versicherung sozusagen«, scherzte der Bischof. »Aber im Ernst … Wie sollte ihn so viel schwesterliche Verbundenheit über Hunderte Meilen nicht rühren. Schließlich ist er ein Gott der Liebe.«
»Bitte, Hildchen«, drängte Audo. »Mach mit, komm auch zu den Christianern. Es würde mir alles viel leichter machen!«
»Wenn es so steht«, sagte Lanthild, der dies nur recht war, »dann sollte ich schon deinetwegen nicht zögern. Also gut, ich komme zu euch!«
Albilas war kein Proselytenmacher, und er hielt es sogar für seine Pflicht, auf die Konflikte hinzuweisen, die sich durch Lanthilds Bekenntnis zum Arianismus in der fränkischen Königsfamilie
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