Die Merowinger - Zorn der Götter
seine Herde zu holen. Falls sie – wie der König selber wohl auch – ihr Wolfsfell nur gewendet, aber nicht abgelegt haben, wird er sie schon zur Verantwortung ziehen.
Nachdem auch die Antrustionen getauft waren, begann ein gewaltiges Gedränge. Jetzt traten die einfachen Krieger heran. Natürlich sollten auch sie den neuen Glauben des Herrschers bekennen. Ich kann keine genaue Zahl angeben, aber es waren wohl an die dreitausend.
Um die Würde des Gotteshauses zu wahren und ein Chaos zu vermeiden, wurde ihnen befohlen, schon auf dem Vorplatz die Oberbekleidung und selbstverständlich die Waffen abzulegen. Es war sehr kalt, und es lag Schnee, und so machten sie sich Bewegung durch allerlei kindische Tollerei. Wenn es dann so weit war, hatten die Anführer Mühe, ihre Reihen zu ordnen. Nach Hundertschaften gegliedert, marschierten sie ein. Auch drinnen ließen noch viele dieser einfachen Gemüter den Sinn für den Ernst der Stunde vermissen. Das Besprengen mit Wasser gab Anlass zu allerlei Unfug. Vor allem der Anblick des Königs, der im weißen Engelsgewand neben dem Taufbecken stand und die Parade der Täuflinge abnahm, erregte unangemessene Heiterkeit. Erst wenn Chlodwig die Männer im gewohnten Kommandoton anschnauzte und ihnen befahl, den Nacken zu beugen oder zur Hölle zu fahren, rissen sie sich zusammen.
Der Andrang wurde freilich bald so stark, dass wir uns zu einer Art Schnellverfahren entschließen mussten. Mit Krügen voll geweihten Wassers, das rasch gefror und immer wieder aufgetaut werden musste, gingen unsere Amtsbrüder auf dem Vorplatz unter den Franken umher, besprengten und salbten sie. Die eisige Winternacht war längst angebrochen, als endlich die Letzten zitternd und bibbernd reingewaschen und wiedergeboren waren.
So viel, lieber Bruder, von Chlodwigs Taufe. Machen wir uns nichts vor: Kaum einem der Getauften ist sein neues Bekenntnis unter die Haut gegangen, und schon gar nicht ist es bis ins Herz vorgedrungen. Und überhaupt verharrt ja die Masse der Franken weiter in heidnischer Ignoranz. Aber ein Anfang ist gemacht. In die dicke Mauer des Widerstands gegen den wahren Glauben ist eine breite Bresche geschlagen. Nun gilt es, die Mauer nach und nach niederzureißen. Unsere Königin Chlotilde geht bereits mit bewundernswertem Eifer ans Werk. Sie hat erkannt, was jetzt das Wichtigste ist: zerstörte Kirchen wieder aufzubauen, an der Stelle heidnischer Opferplätze neue Gotteshäuser zu errichten, als Zentren der Mission Klöster zu gründen. Mit einem ganzen Stab von Geistlichen, Baumeistern und Hofbeamten will sie im Frühjahr aufbrechen und zu diesem Zwecke das Land bereisen. Mönche schwärmen schon jetzt bis zum Rhein und bis zur Küste des Nordmeers aus, um den Barbaren die frohe Botschaft zu bringen. Der König hat unsere heilige römische Kirche aus Anlass seiner Taufe reich mit Geld- und Landzuweisungen bedacht, so dass nun auch endlich die Zeiten der Not und Bedürftigkeit vorüber sind. Wir leben wieder – und zwar nicht schlecht. Wie der Dichter Horaz sagt, haben wir Beifall verdient, weil wir das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.
Zum Schluss eine Bitte: Solltest du in deinen burgundischen Diözesen Leute kennen, die Lust haben und geeignet wären, unser großes Missionswerk voranzubringen, so sende sie mir. Ich werde sie mit offenen Armen empfangen!«
Der heilige Avitus von Vienne schickte, nachdem er diese Nachrichten seines Amtsbruders, des heiligen Remigius, empfangen hatte, an Chlodwig ein begeistertes Glückwunschschreiben. Er rühmte den König, der sich durch die Häretiker nicht von der Wahrheit habe abbringen lassen.
Nun werde der Osten, die Graecia, sich in der Person des Kaisers nicht mehr allein einer christlichen Herrschaft erfreuen – auch der Westen erhalte ein christliches Königtum. Gott werde sich durch ihn, den König, den Frankenstamm zu eigen machen. Doch möge er auch, schloss Avitus, einen Teil des Glaubensschatzes, der sein Herz erfülle, den ferner wohnenden Stämmen zukommen lassen.
»Scheue dich nicht, ihnen Botschaften zu schicken und ihnen gegenüber die Sache Gottes zu verteidigen, der so viel für die deinige getan hat. Indem du für dich wählst«, schrieb der Heilige, »urteilst du für alle. So ist dein Glaube unser Sieg!«
Die Merowinger – eine der mächtigsten Familien des frühen Mittelalters, die mit Schwert und Blut Geschichte schrieb.
Die mörderische Familiensaga geht weiter in
Robert Gordian
DIE MEROWINGER
Chlodwigs
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