Die Messerknigin
Eisenzähnen schauen aus den Fenstern
eh sie sich wieder den Zauberspiegeln zuwenden
oder der Hausarbeit,
Hoover, die gute Wahl gegen schmutzige Luft.
IV.
Sechzehn Uhr in Old Soho,
diesem Trödelmarkt verlorener Technologie.
Das Knirschen der Federn in alten Zauberkästen, aufgezogen
mit silbernen Uhrwerksschlüsseln,
ertönt schnarrend aus jeder Engel- und
Uhrmacherwerkstatt, den Zaubertrank- und Tabakläden.
Es regnet.
BBS-Kids in Schlapphüten fahren Zuhälterschlitten,
moderne Luden,
Könige im Reich von Signal to Noise,
und all ihre neongepunkteten Pferdchen flirten und drehen sich
unter den Lichtern,
Sukkuben und Inkuben mit Verfallsdatum und Chip-Card-Augen.
Sie sind dein – wenn du deinen PIN-Code weißt,
dein Gültigkeitsdatum und all dieses Zeug.
Eine zwinkerte mir zu
(blinkt an, an-aus, aus-aus-an),
Noise schluckt Signal in Fummelfellatio.
(Ich kreuze die Finger,
ein binärer Schutz gegen Hexen,
wirkt als Supraleiter genauso wie gegen Aberglauben.)
Zwei Poltergeister essen aus Pappschachteln. Old Soho macht mich immer nervös.
Brewer Street: Ein Zischen aus einer Gasse: Mephisto öffnet seinen braunen Mantel,
zeigt mir das Futter (eine Datenbank alter Beschwörungen,
Priester treiben’s mit Geistern – im Diagramm) flucht und fragt mich:
Einen Feind ausschalten?
Eine Ernte vernichten?
Eine Leibesfrucht verdorren?
Eine Unschuld verderben?
Eine Party ruinieren …?
Wie wär’s, Sir? Nein, Sir? Überlegen Sie es sich.
Nur ein Tropfen Ihres Blutes auf diesen Printout geträufelt
und Sie werden stolzer Besitzer eines neuen Voice-Synthesizers. Hören Sie nur …
Er stellt einen tragbaren Zenith auf den alten Koffer, der ihm als Tisch dient,
lockt damit eine Zuschauerschar, verkabelt die Voicebox,
gibt ein
C: GO
und eine klare, reine Stimme zitiert:
Orientis princeps Beelzebub, inferni irredentista menarche et demigorgon, propitiamus vos …
Ich eile weiter, die Straße hinab,
Papiergeister wirbeln umher, alte Computerdrucke,
und immer noch hör ich ihn wie einen Marktschreier:
Nicht zwanzig
nicht achtzehn
nicht fünfzehn
Hat mich zwölf gekostet, Lady, so wahr Satan mir helfe.
Doch weil Sie so hübsch sind und
um Sie aufzumuntern, kriegen Sie es für
Fünf.
Ganz recht.
Fünf
Verkauft an die Dame mit den schönen Augen …
V.
Grünlich grau kauert der Erzbischof, blind in der Dunkelheit auf der Mauer von St. Paul’s,
klein, vogelhaft, leuchtend summt er: Input/Output, Input/Output.
Es ist schon fast sechs und der Stoßverkehr aus gestohlenen Träumen
und erweitertem Speicher verstopft den Gehweg unter uns.
Ich reich dem Mann mein Glas.
Er nimmt es behutsam und schlurft in den lauernden Schatten der Kathedrale.
Als er zurückkommt, ist das Glas wieder voll.
»Garantiert heilig?«, frag ich im Scherz.
Er zieht Buchstaben in den gefrorenen Dreck: wysiwyg
Und lächelt nicht mal.
(Wisiwig. Whiskey weg.)
Er hustet milchig grauen Schleim,
spuckt auf die Stufen.
Was ich in dem Glas sehe, scheint in der Tat heilig, doch man weiß ja nie,
wenn man nicht selbst eine Sirene ist oder ein Geist,
der aus dem Telecom-Mundstück herausflockt, den Piepston reitet,
eine Anrufung, eine ganz Falsche Nummer, dann erkennt man das Unheilige.
Ich hab schon früher Telefone in dem Zeug versenkt,
sah Dinge sich formen
dann zischen und schmelzen, als das Wasser wirkte:
gereinigt, geläutert, die Letzte Segnung.
Eines Nachmittags
hatte ich eine ganze Schlange von ihnen auf meiner Mailbox:
Ich hab sie auf Diskette kopiert und abgelegt.
Wollen Sie?
Hör’n Sie, für Geld gibt es alles.
Der Priester ist unrasiert und er hat das Zittern.
Sein weinbeflecktes Ornat hält ihn nicht warm.
Ich geb ihm Geld.
(Nicht viel. Immerhin
ist es nur Wasser, manche Leute sind so blöd,
die lösen sich komplett auf,
wenn man sie mit Perrier besprengt,
verflucht noch mal, und heulen dabei:
Durch meine Schuld, durch meine wunderbare Schuld. )
Der alte Priester steckt die Münze ein, schenkt mir
einen Beutel mit Krumen als Bonus,
setzt sich auf die Treppe und schlingt die Arme um sich.
Ich hab das Gefühl, ich muss etwas sagen, ehe ich geh.
Hören Sie, sag ich, es ist ja nicht Ihre Schuld.
Es ist nur das Multi-User-System.
Sie konnten’s nicht ahnen.
Könnte man Gebete ins Netz stellen,
wäre die Saintware nur besser gelaufen,
könnten Sie Ihre Seite so zuverlässig machen wie sie ihre …
»Was Sie sehen«, murmelt er traurig,
»Was Sie sehen,
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