Die Messerknigin
Badewasser auftauchte, die scharlachroten Würmer, die in deiner offenen Brust umherkrochen, als du dein Hemd aufgeknöpft hast.
Er fegt es weg, alles, was du beim Aufwachen zurückgelassen hast. Und dann verbrennt er es, hinterlässt die Bühne besenrein für deine Träume der kommenden Nacht.
Sei nett zu ihm, wenn du ihn siehst. Sei höflich. Stell ihm keine Fragen. Bejubele die Siege seiner Fußballmannschaft, bekunde dein Mitgefühl, wenn sie verliert, sei seiner Meinung, was das Wetter betrifft. Erweise ihm den Respekt, der ihm seiner Ansicht nach zusteht.
Denn es gibt Menschen, die er nicht mehr besucht, der Traumfeger, mit seinen selbst gedrehten Zigaretten und der Drachentätowierung.
Du hast sie bestimmt schon mal gesehen. Sie haben Münder, die zucken, und Augen, die stieren, und sie brabbeln und heulen und wimmern. Manche von ihnen laufen in zerlumpter Kleidung durch die Straßen der Stadt, ihre Habseligkeiten unter dem Arm. Andere sind im Dunkeln eingesperrt, an Orten, wo sie sich und anderen keinen Schaden mehr zufügen können. Sie sind nicht wahnsinnig, oder genauer gesagt, der Verlust ihrer geistigen Gesundheit ist das geringere ihrer Probleme. Es ist schlimmer als Wahnsinn. Sie erzählen dir davon, wenn du sie lässt: sie sind diejenigen, die Tag für Tag in den Ruinen ihrer Träume leben.
Und wenn der Traumfeger dich einmal verlassen hat, kommt er nie wieder.
Fremdkörper
Die Geschlechtskrankheit ist ein Leiden, welches man sich in Folge unreinen Verkehres zuzieht. Die fürchterlichen Folgen, die aus dieser Erkrankung resultieren können – Folgen, die den Verstand auf Jahre hinaus mit Angstzuständen heimsuchen können, die die Wurzeln der Gesundheit angreifen und selbst das junge Blut unschuldiger Nachkommenschaft verunreinigen mögen – sind in der Tat grauenvoll sich vorzustellen, so grauenvoll, dass man nicht zögern darf, diese Krankheit als eine derjenigen einzustufen, die umgehender ärztlicher Behandlung bedarf.
– Dr. med. Spencer Thomas, Lizentiat des Royal College of Science, Edinburgh
Lexikon der Hausmedizin und heimischen Krankenpflege , 1882
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Simon Powers hatte nicht viel für Sex übrig.
Er mochte es nicht, mit jemand anderem zusammen im selben Bett zu liegen, und er fürchtete immer, zu früh zu kommen. Außerdem hatte er jedes Mal das unangenehme Gefühl, dass seine Leistung irgendwie bewertet würde, wie bei der Fahrprüfung oder einem Examen.
Während der Zeit auf dem College hatte er ein paar Mal mit Mädchen geschlafen und einmal, vor drei Jahren, nach einer Silvesterparty im Büro. Aber das war alles gewesen und wenn es nach Simon ging, konnte es gern dabei bleiben.
Irgendwann, als er mal im Büro saß und nichts zu tun hatte, war ihm der Gedanke gekommen, dass er gern in den Tagen von Königin Victoria gelebt hätte, als gut erzogene Frauen im Schlafzimmer nur passive, duldsame Puppen gewesen waren: Sie schnürten ihr Korsett auf und rafften die Röcke (wobei sie rosa-weißes Fleisch enthüllten), lagen dann still und ließen die Entwürdigungen des Aktes über sich ergehen – ohne dass sie je im Traum auf den Gedanken gekommen wären, dass diese Entwürdigung ihnen eigentlich Freude bereiten sollte.
Er merkte sich das für später; eine neue Masturbationsfantasie.
Simon masturbierte sehr häufig. Jeden Abend, mehr als einmal, wenn er nicht einschlafen konnte. Er konnte so schnell oder langsam zum Höhepunkt kommen, wie er wollte. Und in seinen Gedanken hatte er sie alle gehabt: Film- und Fernsehstars, Frauen aus dem Büro, Schulmädchen, die nackten Models, die ihn von den Fotos der eselsohrigen Fiesta! anschmollten, gesichtslose Sklavinnen in Ketten, braun gebrannte Jünglinge mit Körpern wie die griechischer Götter …
Nacht für Nacht zogen sie in einer langen Parade vor ihm einher.
So war es sicherer.
In seinen Gedanken.
Und anschließend schlief er ein, entspannt und geborgen in einer Welt, die er selbst kontrollierte, und er schlief traumlos. Oder zumindest erinnerte er sich morgens nie an irgendwelche Träume.
Am Morgen, als es anfing, weckte ihn das Radio (»… zweihundert Tote und zahllose Verletzte und jetzt gebe ich ab an Jack für den Wetterbericht und die Verkehrsnachrichten …«). Seine Blase schmerzte. Er quälte sich aus dem Bett und stolperte ins Bad.
Er klappte den Toilettendeckel hoch und urinierte. Es fühlte sich an, als pinkelte er Nadeln.
Nach dem Frühstück musste er nochmals urinieren – weniger
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