Die Messermacher (German Edition)
der doch noch, oder?“
„Eine Strecke bestimmt, aber zurück? Da bin ich mir nicht sicher, aber ihr könnt mich gerne anrufen, falls er zu schlapp ist, dann hole ich euch ab. Ich bin ja zu Hause, das ist also kein Problem“, entschied Delfina und wünschte ihrer Tochter viel Spaß.
„Danke Mama! Du bist ein Schatz! Bis später dann!“
„Nehmt eine Regenjacke mit. Könnte sein, dass da heute noch ein Gewitter kommt. Falls es euch erwischt, werde ich euch auf jeden Fall abholen, denn Moritz hat doch so arge Angst wenn`s blitzt und donnert“, seufzte Delfina und widmete sich widerstrebend ihrer eintönigen Arbeit. Wie gerne wäre sie jetzt mit spazieren gegangen, aber die Buchführung musste heute noch raus zum Steuerbüro.
„Zieh doch nicht so, Moritz!“, schimpfte Nora, als ihr Hund ganz plötzlich die Nase nicht mehr vom Boden nahm und sie auf die alte Scheune zu zerrte.
„Was hat der denn?“, fragte Joska und sah besorgt zum Himmel hinauf. Der Wind hatte bereits merklich aufgefrischt und dunkle Wolken zogen aus Richtung Südwesten heran. Es sah so aus, als würde sie das Gewitter doch noch erwischen.
„Es muss aus Hundesicht was sehr Wichtiges sein, wenn er sogar das Donnergrollen ausblendet. Normalerweise dreht der dabei völlig am Rad. Guck mal, jetzt kratzt der sogar am Scheunentor! Ich wollte das Gebäude eigentlich bloß von außen anschauen“, sagte Nora und zog den Hund zurück. „Wir können da nicht reingehen, Moritz!“, schimpfte das verdutzte Mädchen und versuchte vergeblich, ihren Hund zu besänftigen.
„Hilf mir doch mal, Joska. Der Kerl hat vielleicht eine Kraft! Was der bloß hat?“, japste Nora und Joska kam ihr natürlich zu Hilfe. Er fand das Benehmen des Hundes auch recht seltsam, aber da er sich mit Hunden überhaupt nicht auskannte, wusste er nicht, was zu tun war. Sollte man ihm nachgeben und vielleicht doch nachschauen, was ihn da drin so interessierte? Oder musste man ihm zeigen, wo seine Grenzen lagen und Gehorsam verlangen? Doch Nora riss ihn mit einem Aufschrei aus seinen Gedanken.
„Schau mal, Joska. Hier sind frische Reifenspuren direkt vor dem Scheunentor. Die Räder müssen durchgedreht sein – hier ist alles aufgewühlt. Ich dachte, die Scheune wird schon jahrelang nicht mehr benutzt“, sagte sie verblüfft und schaute Joska fragend an.
„Wir können ja mal schauen, wo die Reifenspuren hinführen. Allerdings wird man da nicht mehr viel sehen, weil alles so staubtrocken ist. Das durch die Reifen niedergedrückte Gras wird sicher schon wieder ganz aufgerichtet sein. Aber komm, wir laufen einfach mal da lang“, ordnete Joska an und sie entfernten sich wieder von der Hütte.
Jetzt hatte Marianne keine Chance mehr, dass man sie hören würde! Sie war so schwach, dass sie nur ganz leise wimmern konnte und der Wind übertönte auch noch dieses Geräusch. Sie würde hier sterben! Genauso wie Rüdiger, der sich gestern Morgen, nachdem er ihren Porsche irgendwo hin gebracht hatte, neben sie gelegt und sich die Pulsadern aufgeschnitten hatte. Er hatte sie danach gezwungen, zuzusehen, wie er immer schwächer wurde und als er es nicht mehr schaffte, ihr das Messer an die Kehle zu halten, hatte sie es trotzdem nicht fertig gebracht, die Augen zu schließen. Wie unter Zwang schaute sie zu, wie er verblutete und alles Leben aus ihm herauslief. Das war das allerschlimmste für sie: ihm beim Sterben zusehen zu müssen und zu wissen, dass sie dafür verantwortlich war! Eine wirkungsvollere Strafe hätte er sich für ihre inzwischen zahlreichen Taten gar nicht ausdenken können und wenn sie in diesen Momenten der Machtlosigkeit und Einsamkeit gekonnt hätte, hätte sie sich wahrscheinlich auch umgebracht. Aber nun würde sie sowieso sterben, denn die rettenden Stimmen ihrer Nichte und dieses jungen, gutaussehenden Polizisten entfernten sich immer weiter – nun war es aus – aus und vorbei – sie würde hier sterben und erst gefunden werden, wenn diese elende Hütte abgerissen wurde. So hatte es doch vor ein paar Tagen in der Zeitung gestanden. Das alte Haus und sie selbst würden hier sterben.
Doch plötzlich hörte Marianne aus weiter Ferne einen erneuten Aufschrei ihrer Nichte. Sie konnte allerdings nicht verstehen, was sie gerufen hatte. Mit letzter Kraft versuchte sie zu lauschen, doch der Wind und das nahende Gewitter verschluckten auch noch die leisen Wortfezen, sie sich in ihre Richtung bewegt hatten.
„Nora? Was
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