Die Messermacher (German Edition)
Marianne wieder schläfriger. Als Joska sie verzweifelt auf die Wange tätschelte, begann Moritz zu knurren.
„Aber Moritz! Ich tu deinem Frauchen doch nichts, aber sie soll doch nicht einschlafen. Wo Nora nur bleibt?“, jammerte Joska und Marianne schaute kurz auf.
„Der alte Moritz will mich vor Ihnen beschützen. Ist das nicht süß?“, murmelte sie und schloss schon wieder die Augen. Doch bevor Joska sie wieder wachrütteln konnte, kam Nora mit einem Messer zurück.
„Soll ich mit dem Messer runterkommen?“, fragte sie ängstlich, doch Joska rief ihr zu, dass er hochkommen würde.
„Danke, Nora. Gib her. Wann kommt der Notarzt?“, fragte er, während er schon wieder im dunklen Keller verschwand.
„Müsste in ein paar Minuten da sein. Erklärst du mir jetzt vielleicht mal, warum die Kripo auch kommen muss?“, verlangte Nora, die sich inzwischen wieder etwas beruhigt hatte, nun aber aufgebracht war, weil Joska sie nicht gänzlich aufgeklärt hatte.
„Herr Haupt ist auch hier …“
Weiter kam er nicht, denn Nora schrie entsetzt auf.
„Keine Angst, Nora. Der kann uns nichts mehr anhaben. Der ist tot und deshalb wollte ich nicht, dass du da runterkommst. Ist kein schöner Anblick, glaub mir!“, keuchte Joska, während er versuchte, die Kabelbinder durchzuschneiden, ohne die Frau zu verletzten. Endlich hatte er es geschafft und Marianne sank ihm bewusstlos in die Arme.
So fanden sie dann ein paar Minuten später die Sanitäter, sie lagen da wie ein einsames Liebespaar und zu ihren Füßen in einer großen Blutlache lag Rüdiger Haupt.
43
Einige Monate später:
„Ich hab keine Lust, Tante Marianne zu besuchen“, maulte Felix und klappte mürrisch seinen Laptop zu. Seit der Sache in der alten Scheune war seine Tante in einer psychiatrischen Klinik in Göppingen untergebracht und hatte seitdem kein Wort mehr gesagt. Sie lag meist teilnahmslos im Bett und stand nur auf, wenn man es von ihr verlangte. Sei es zum Essen oder für therapeutische Maßnahmen – sie nahm zwar körperlich teil, aber ihr Geist blieb verschlossen. Selbst ihre Familienangehörigen hatten sie bisher nicht dazu bringen können, sich ihnen mitzuteilen. Einerseits konnte man verstehen, dass die arme Marianne nach den schrecklichen Erlebnissen in der Gewalt von Rüdiger Haupt einen seelischen Knacks abbekommen hatte, aber dass sie seither überhaupt nichts mehr sagen wollte, war selbst den Ärzten ein Rätsel. Doch Marianne schwieg weiter und ließ niemanden an sich heran.
Nur Nora und Joska wussten, dass Marianne maßgeblich dafür verantwortlich war, dass Reno Angerer, sein Doppelgänger Mike, und Rüdiger Haupt zu Tode gekommen waren. Ob ihr das so zu schaffen machte, dass sie beschlossen hatte, nicht mehr zu sprechen und somit auch nicht mehr in ihr altes Leben zurückkehren wollte oder konnte? Oder steckte womöglich doch noch mehr dahinter?
„Nun komm schon, Felix!“, drängte Nora ihren Bruder, denn Joska wartete bereits draußen im Wagen. Heute waren die jungen Leute dran, Marianne zu besuchen, sie wechselten sich wöchentlich mit den Erwachsenen ab.
„Sie ist immer noch unsere Tante und wir wollen doch alles versuchen, dass sie wieder normal wird. Oder ist dir das egal?“, fragte Nora und schaute ihren Bruder streng an.
„Nein, natürlich nicht. Aber sie redet ja nicht mit uns. Wie können wir ihr da helfen?“, fragte Felix resigniert, denn alle Besuche waren bisher so abgelaufen, dass sie seiner Tante von ihrem Leben und von den Ereignissen in der Werkstatt erzählt hatten, Marianne zwar zugehört, aber nie etwas dazu gesagt hatte. Wenn man sie fragte, schüttelte sie manchmal den Kopf oder nickte, aber mehr kam da nicht! Das war so deprimierend und auch äußerst langweilig. Natürlich ging Felix mit und wappnete sich wieder für einen vergeudeten Nachmittag. Seine Eltern hatten ihm sogar verboten, seinen iPod mitzunehmen – er sollte sich ganz und gar auf seine Tante konzentrieren. Bisher hatte noch niemand die Hoffnung aufgegeben, dass Marianne doch irgendwann aus ihrem geistigen Gefängnis befreit werden konnte.
„Hallo Tantchen!“, rief Nora fröhlich, obwohl sie sich hier jedes Mal total unwohl fühlte. „Wie geht`s dir heute?“, fragte sie und erwartete wie immer keine Antwort.
„Sie sehen heute richtig gut aus, Frau Angerer“, flötete Joska wahrheitsgemäß, denn Marianne hatte trotz der kalten Jahreszeit eine gesunde
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