Die Messermacher (German Edition)
Vater.
Wo war Reno?
Wo war er nur hin und hatte sogar den Hund mitgenommen? War er nach Adeles Tod so geschockt gewesen, dass er in Panik einfach davongelaufen war? Bei diesen Gedanken sprang er plötzlich auf und rief:
„Ist Renos Auto überhaupt weg?“ Niemand war bisher auf den Gedanken gekommen, nachzusehen. Nora erbot sich sofort, einen Blick in die Garage zu werfen und rannte mit ihren langen rotblonden Haaren, die wie ein Schal hinter ihr her wehten, aus dem Haus. Sobald klar gewesen war, dass sie heute nicht mehr arbeiten würden, hatte sie sofort ihren Zopf aufgeflochten. Während der Arbeit war es Pflicht, die Haare wenigstens zusammenzubinden … Betriebssicherheit!
Wenig später kam sie keuchend zurück und schrie noch von der Haustüre her:
„Opas Auto ist da, aber sein Motorrad ist weg!“
„WAS?“, schrien alle fast gleichzeitig. „Aber wo ist dann der Hund?“, fragten sich die entsetzt dreinblickenden Angerers. Auf gar keinen Fall konnte man einen so großen Schäferhund auf einem Motorrad mitnehmen!
„Vielleicht ist Moritz mal wieder ausgebüchst und Opa sucht ihn mit dem Motorrad“, warf Nora in den Raum, doch ihr Vater schüttelte sofort den Kopf.
„Das macht doch keinen Sinn, Nora. Moritz läuft doch nicht mehr so weit weg und im Sommer gibt es doch keine läufigen Hündinnen, oder? Sind die nicht nur im Frühjahr und im Herbst läufig, sodass sie unserem armen Rüden den Kopf verdrehen können?“
„Keine Ahnung. Vielleicht hat sich eine damit verspätet“, meinte Nora und setzte nach einem Augenverdrehen ihres Bruders noch hinzu: „Könnte doch sein, oder nicht?“
„Ich weiß das wirklich nicht – aber wie gesagt, mit dem Motorrad nach ihm zu suchen, ist doch idiotisch. Reno kennt die Freundinnen seines Hundes und sucht ihn immer zu Fuß. Da steckt irgendwas anderes dahinter!“, sagte Jakob mit Überzeugung, obwohl er momentan keine Idee hatte, wo sein Vater abgeblieben sein könnte. Während die ganze Familie nun weiter vor sich hin grübelte, nur ein paar Mal durch geschäftliche Telefonate unterbrochen, die allerdings äußerst knapp gehalten wurden, was sonst gar nicht ihre Art war, knallte plötzlich kurz vor zehn Uhr die Haustüre und Marianne kam hereingestürmt. Ohne guten Morgen zu sagen, fragte sie außer Atem:
„Was ist denn passiert, dass ihr mich gleich fünf Mal versucht habt, anzurufen. Ich hab mein Handy grad erst eingeschaltet, als ich aus dem Auto gestiegen bin“. Marianne wohnte in einem hübschen kleinen Loft in Salach, natürlich ebenfalls mit Blick auf den Hohenstaufen und sie kam jeden Tag mit ihrem schwarzen Porsche 911 Carrera in die Arbeit.
„Setzt dich erst mal hin, Marianne“, sagte Jakob behutsam und seine sonst so resolute Schwester ließ sich beim Blick in die traurigen Augen ihrer Familienmitglieder folgsam zum weißen Ledersofa geleiten. Erst als sie saß, erzählte Jakob ihr die ganze Geschichte. Doch bevor sich Marianne dazu äußern konnte, klingelte es laut an der Türe. Wie seltsam sich das anhörte, wenn der Hund nicht augenblicklich zu bellen begann.
„Das wird der Arzt sein“, meinte Tobias und ging hinaus, um den Besucher zum Haus zu begleiten, denn auf einem Schild vorne an der Türe stand neben einem abgebildeten Hund:
Ich brauche 2 Sekunden bis zur Türe und du?
Deshalb traute sich auch niemand, alleine durch den Garten zu gehen. Nur diejenigen, die bereits Bekanntschaft mit dem liebevollen alten Schäferhund gemacht hatten, kamen an die Haustüre, um zu klingeln.
Wie befürchtet, brachte Tobias eine mürrisch dreinblickende Frau Doktor Zeitler mit, die sich auch sofort beschwerte, dass sie ihre Praxis hätte verlassen müssen, ihre Patienten nun warten müssten und sie eigentlich für so was gar nicht zuständig sei.
„Wo ist denn nun die Tote?“, fragte sie genervt und ließ sich im Hinaufgehen die Krankheitsgeschichte von Adele Angerer kurz schildern. Sie untersuchte Adele dann auch nur flüchtig und stellte ohne Umschweife den Totenschein mit einer natürlichen Todesursache aus. Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass es anders sein könnte.
Kaum war Frau Dr. Zeitler damit fertig, klingelte es erneut an der Türe. Diesmal erbot sich Nora, nach draußen zu gehen. Wie immer rannte sie durch den Garten, denn normales Laufen war ihr zu langsam. Doch als sie von weitem zwei Männer vor dem Zaun stehen sah, verlangsamte sie ihr Tempo – warum, wusste sie auch
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