Die Messermacher (German Edition)
doch von mir nichts sagen!“, klagte Joska weiter, obwohl er wusste, dass es nichts nützen würde. Er war in seinem letzten Ausbildungsjahr und der Clemens hatte erst nach zwei Studiengängen entdeckt, dass er eigentlich zur Polizei gehen könnte und nun war er ein ziemlich alter Praktikant. Ständig ließ er das heraushängen und auch, wie viel ungeheuer wichtiges Wissen er sich in seinen Studiengängen angeeignet hatte. Das nervte derart, das konnte man sich gar nicht vorstellen. Aber was sollte er machen? Er musste diesen Idioten mitnehmen, sie hatten niemand anderen zur Verfügung. Das konnte ja heiter werden! Missmutig erhob sich Joska und knurrte seiner Chefin entgegen:
„Ich geh dann mal und such den Clemens. Sicher hängt er wieder irgendwo im Archiv herum“.
Er sah nicht mehr, wie seine Chefin ihm liebevoll hinterherlächelte und das war gut so. Sonst hätte er sich nur noch mehr darüber aufgeregt. Und wenn sich dieser junge ungarisch stämmige Mann aufregte, konnte das ziemlich laut und temperamentvoll werden.
4
Während in dem kleinen beschaulichen Örtchen Ottenbach mit seinen knapp 2500 Einwohnern der Alltag ganz normal weiterging, stand in der Messerwerkstatt Angerer die Zeit still. Nachdem Jakob die Polizei verständigt hatte, brachte es niemand fertig, zum normalen Arbeiten zurückzukehren. Tobias wollte unbedingt noch eine Weile bei seiner toten Mutter sitzen, während sein Bruder seine Kinder tröstete und nebenbei versuchte, seine verschlafene Schwester zu erreichen. Inzwischen war es halb acht und sie müsste eigentlich schon auf sein. Marianne besaß aber nur ein Handy und das schaltete sie meist erst ein, wenn sie um zehn Uhr in die Werkstatt kam. Dennoch war es Jakob den Versuch wert gewesen, sie wegen der schrecklichen Vorkommnisse an diesem Morgen zu erreichen. Hätte er es nicht versucht, hätte sich seine Schwester sicherlich beschwert, ob sie es nicht wert sei, dass man sie informierte. So war sie nun selbst schuld, dass sie von alldem, was geschehen war und in der nächsten Stunde noch geschehen sollte, nichts mitbekam. Vielleicht war es auch gut so, denn Marianne konnte ziemlich hysterisch werden und darauf konnte die Familie nun ganz sicher verzichten. Vor allem in letzter Zeit war sie oft mürrisch und ungeduldig, was sonst eigentlich gar nicht ihre Art war.
„Wann kommt denn nun endlich ein Arzt?“, ereiferte sich Nora nach einer halben Stunde angespannten Wartens. „Welchen Arzt die wohl bestellt haben? Hoffentlich nicht die neue Ärztin, die seit ein paar Monaten die Praxis unseres geliebten Doktors hier in Ottenbach übernommen hat. Die kann ich gar nicht leiden!“
„Aber Nora, so was sagt man doch nicht“, maßregelte sie ihr Vater. „Sie hat es auch nicht leicht und gibt sicher ihr Bestes, um die Patienten ihres Vorgängers gut zu versorgen“, versuchte Jakob die neue Ärztin in Schutz zu nehmen. Er war bisher nur einmal kurz mit Felix bei ihr gewesen, um ihn vor dem Ausbildungsantritt untersuchen zu lassen. Zugegeben – besonders sympathisch war sie nicht, aber sie hatte Felix gewissenhaft untersucht und ihm dann auch gleich sein Attest ausgestellt. Dass sie ihrem Sohn wegen seiner gelegentlichen Knieschmerzen, die sicherlich vom Wachstum her kamen, gleich eine Akupunktur-Therapie verpassen wollte, verbuchte er unter der Rubrik: Geschäftstüchtig. Natürlich hatten weder er noch sein Sohn zugestimmt und sie war dann auch nicht weiter darauf eingegangen. Außerdem hatte Jakob im Ort munkeln hören, dass sie die Praxis demnächst schon wieder aufgeben wollte, weil sie sich angeblich nicht rechnete. Woran sie ganz sicher auch selbst Schuld hatte, denn nur wenige waren nach dem Weggang ihres geliebten Vorgängers zu ihr gekommen.
„Wenn die Tante da kommt, bin ich weg!“, meinte dann auch Felix und erntete von seinem Vater ein genervtes Kopfschütteln. Tobias kam dann eine weitere halbe Stunde später endlich herunter ins Wohnzimmer, wo die anderen in Gedanken versunken oder unruhig herumsaßen. Nora kaute zum ersten Mal seit langem wieder auf den Fingernägeln, obwohl ihre Hände von der Arbeit schmutzig waren. Felix hatte seinen iPod herausgeholt, obwohl sein Vater eigentlich verboten hatte, dass er ihn mit in die Arbeit brachte. Doch heute achtete Jakob gar nicht darauf, er war viel zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Nicht nur der Tod seiner Mutter erschütterte ihn, viel mehr Gedanken machte er sich momentan um seinen
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