Die Messermacher (German Edition)
niemand wusste, welchen Typ er genau fuhr. Er wollte nicht noch mehr Getratsche über sich und seine Familie. Es reichte schon, wenn seine Tochter mit einem neuen Porsche und seine Söhne mit teuren Oldtimern herumfuhren. Doch die Gedanken um die familiären Fahrzeuge hatten ihn nur kurzfristig von seinem eigentlichen Problem abgelenkt – er hatte vor ein paar Stunden seine Frau verloren und war Hals über Kopf geflüchtet!
Wie hatte es nur dazu kommen können?
Warum hatte er sich schon wieder so von seiner Frau drangsalieren lassen, dass er es nicht mehr hatte ertragen können? Er wusste nicht einmal mehr, was sie gesagt oder getan hatte, um ihn derart in Rage zu versetzen, dass er … was?
Was hatte er gemacht? Hatte er überhaupt was getan?
Er konnte sich nicht mehr genau daran erinnern – nur noch, dass sie plötzlich einfach nicht mehr geatmet hatte! Dass es noch dunkel war, das wusste er noch. Der Vollmond hatte den Garten erhellt, das hatte er unbewusst wahrgenommen, als Adele mitten in der Nacht nach ihm gerufen … nein … geschrien hatte und er aus seinem Fernsehsessel aufgefahren war, in dem er wohl eingeschlafen sein musste. Was hatte sie gewollt? Musste sie zur Toilette oder hatte sie nur schlecht geträumt, so wie fast jede Nacht und bei Vollmond am schlimmsten? Auch das wusste er nicht mehr.
Wütend schleuderte er seinen Stock ins Wasser, nicht merkend, dass der Hund von nebenan schon die ganze Zeit dieses für ihn so interessante Spielzeug nicht aus den Augen gelassen hatte. Kaum schlug das Holzstückchen auf dem Wasser auf, war der Hund auch schon hinterhergesprungen und paddelte nun darauf zu. Es war ein mittelgroßer schwarz-weiß gepunkteter Rüde mit einem schwarzen Ohr und athletischer Figur. Mühelos schwamm das anmutige Tier zu seiner Beute, schnappte sie und brachte sie zum Werfer zurück.
„Amigo!“, rief eine weißhaarige Frau neben ihm. „Aus! Lass den Mann in Ruhe!“ Mit diesen Worten nahm sie ihrem hübschen Hund das Stöckchen aus dem Maul und reichte es dem weißhaarigen Mann mit der kleinen Nase und den kleinen, traurigen braunen Augen, der es gedankenverloren entgegennahm.
Was sollte er mit dem Ding? Er hatte es doch loswerden wollen. Warum gab die Frau es ihm zurück? Missmutig schaute er auf und blickte in zwei ungewöhnliche Augen! Eines war hellbraun und das andere eher grün und die Haare der etwas älteren Frau waren wirklich schneeweiß. Sie war braungebrannt und sah trotz ihres Alters noch sehr attraktiv aus.
„Entschuldigen Sie, gnädige Frau. Ich wollte Ihren Hund nicht aufscheuchen. Tut mir leid.“ Damit wollte er sich schon wieder abwenden, doch die Frau sagte beschwichtigend:
„Sie können doch nichts dafür, dass mein Amigo hinter allem herrennt, was vor ihm wegläuft oder –fliegt. Seinen Jagdtrieb krieg ich einfach nicht aus ihm raus! Wer weiß, welche Rassen sich in ihm vereinigt haben?“, lachte sie und wuschelte ihrem Mischling dabei den Kopf. Sofort begann dieser, wie verrückt um sie herum zu hüpfen. Es gab nur eine Möglichkeit, ihn loszuwerden und so warf Reno den Stock nochmals in Richtung See, diesmal aber so weit, wie er nur konnte. Das sollte diesen verrückten Hund eine kurze Weile beschäftigen. Die wollte er nutzen, um sich vorzustellen, denn seine gute Erziehung war stärker, als der Wunsch, endlich allein zu sein und mit seinem Schicksal zu hadern.
„Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist … Re … äh … Renato … Delfi. Ja … Renato Delfi“, sagte er nach seiner Stotterei nochmals bekräftigend. Warum er nicht seinen richtigen Namen gesagt hatte, wusste er nicht genau. Irgendwie erschien es ihm in seiner momentanen Lage besser so. Vielleicht suchte die Polizei schon nach ihm? Als Vermissten oder sogar schon als Mörder seiner Frau? Wer konnte das wissen? Doch sofort gab er sich selbst die Antwort: Seine Familie würde es wissen – sicher war die Polizei und der Arzt und wahrscheinlich auch schon der Bestatter in seinem Haus gewesen. Oder waren die nicht so schnell? Immerhin war es erst kurz vor 11 Uhr. Über diese trüben Gedanken hatte er den Namen gar nicht verstanden, mit dem sich sein Gegenüber gerade vorgestellt hatte.
„Entschuldigen Sie bitte, wie war Ihr Name? Ich habe ihn nicht richtig verstanden“, versuchte er sich rauszureden, doch die Dame war sehr feinfühlig. Längst hatte sie gemerkt, dass dieser feine Herr mit seinen Gedanken ganz woanders war. Sie wiederholte nur kurz
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