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Die Mestizin

Die Mestizin

Titel: Die Mestizin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: César Aira
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gewesen war. Die noch so frische Anekdote mit der Viscacha trieb dem Oberst vor Lachen die Tränen in die Augen.
    «Ich habe auch einmal versucht, eine dieser dreckigen Mäuse zu essen», sagte er zu ihm, «mit demselben Ergebnis.»
    Sie sprachen über die Gerichte der Eingeborenen.
    «Aus den Tieren, die sie erlegen», sagte einer der hiesigen Offiziere, «bereiten die Indianer raffiniertere Mahlzeiten zu, als man das im Hinblick auf ihre Armut erwarten würde. Aber für einen Weißen ist es schwierig, sich daran zu gewöhnen, und wenn er es tut, verliert er unter Umständen den Geschmack an der konventionellen Küche.»
    «Da würde er nicht viel verlieren», sagte Lavalle.
    Sein Onkel widersprach ihm:
    «Das kann zu einer endlosen Schwermut führen.»
    Es klang so, als gründeten seine Worte auf persönlicher Erfahrung. Er gab sich ziemlich geheimnisvoll. Duval fragte sich, welch merkwürdiger Zufall dazu geführt haben mochte, dass diese feinen Herren und Bonvivants in der Wüste gelandet waren. Nach einer Weile wurde das Gespräch mehr auf Angelegenheiten von unmittelbarem Interesse gelenkt. Der Leutnant, der fast ein Jahr nicht mehr in Pringles gewesen war, fragte nach Neuigkeiten, aber sie konnten ihm nur wenig berichten. Obwohl alle bereits wenigstens einmal dort gewesen waren, hielten die Offiziere von Azul diesen Ort für etwas, das fast ebenso fern und unzugänglich war wie die Herrschaftsgebiete der Eingeborenen. Außerdem waren sie ziemlich mit eigenen Problemen beschäftigt: Vor zwei Monaten war Azul unerwartet von einem Indianerüberfall heimgesucht worden… Duval schrak zusammen und lauschte dem Bericht. Es waren zehntausend Indianer gewesen, ein Blitzüberfall; sie kamen in der Nacht auf ihren schnellsten Pferden, und als sie mit dem ganzen Vieh wieder abzogen, hinterließen sie tausend aufgeschlitzte Kehlen und fast alle Soldaten ohne Ehefrauen. Wochenlang waren sie gezwungen gewesen, sich von der Jagd und vom Fischfang zu ernähren; erst vor kurzem hatten sie begonnen, ihre Herden wieder aufzustocken.
    «Was waren das für Indianer?», erkundigte sich Lavalle.
    «Unbekannte. Sie hätten sie sehen sollen, Kriegsbemalung, Federschmuck… Ein richtiges Spektakel. Anscheinend kamen sie von sehr weit her. Laut unseren ‹Friedlichen› waren es Krieger von Catriel, aber das ist sehr zweifelhaft.»
    Unmittelbar nach dem Angriff, so erzählte Leal, habe er eine Truppe nach Pringles geschickt, in der Annahme, es könnte verwüstet worden sein, da es zwangsläufig auf der Route des Indianerüberfalls lag. Aber dem war nicht so. Sie hatten die Kolonnen nicht gesehen, und es wurde der Truppe nicht einmal gestattet, im Fort zu übernachten. Doch damit nicht genug, seine Offiziere durften auch nicht bei Espina vorsprechen.
    «Sie sehen also», schloss er, «das Bollwerk wird weiterhin hermetisch abgeriegelt. Manchmal denke ich, es wäre besser für uns, seine Existenz zu vergessen.»
    «Da fällt mir etwas ein», sagte Lavalle. «Ist es nicht möglich, dass der Oberst ein einseitiges Friedensabkommen mit Catriel geschlossen hat?»
    Leal brach in schallendes Gelächter aus.
    «Nein! Auf gar keinen Fall! Keiner der bedeutenden Kaziken, und Catriel noch weniger als irgendein anderer, würde sich diese Mühe machen. Letztlich glaube ich nicht einmal, dass sie überhaupt wissen, dass es hier ein Fort gibt, denn der Wald selbst, dessen Zugänge es angeblich schützt, verdeckt den Blick darauf. Die Kriegsexpeditionen der Wilden ziehen, aus Gründen der Zeitersparnis, schon viele Meilen vor Pringles raus in die Pampa.»
    Er wandte sich an Duval und setzte zu einer weiteren Erklärung an.
    «Die zwei Festungslinien, die wir den krausen Überlegungen des unfähigen Alsina zu verdanken haben, wurden so ungeschickt angeordnet, waren so übertrieben und voreilig, dass wir damit lediglich ein Niemandsland zwischen beiden Linien geschaffen haben, das unmöglich zu überwachen ist und in dem die Horden in aller Seelenruhe umherziehen können. Man hatte angenommen, dass die neue Linie, auf der Pringles genau in der Mitte liegt, unsere Verteidigungsmaßnahmen überflüssig machen und die Niederlassung von Siedlern ermöglichen würde, aber dem war nicht so: Wir sind nach wie vor so vielen Angriffen ausgesetzt wie früher, und sie erfolgen immer noch völlig unerwartet, während Pringles stets weiter fortrückt, wie ein Planet, der sich aus unserer Umlaufbahn entfernt.»
    Er nahm einen Schluck Champagner, bevor er

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