Die Meute
nicht viel dabei.«
Thomas Hardman stopfte seelenruhig seine Pfeife.
»Andererseits hast du vielleicht doch recht. Wir sind keine jungen Männer mehr. Ted«, er wandte sich Ted Goodall zu, »du bist der Jüngste hier. Wie alt bist du – fünfundfünfzig?«
»Sechsundfünfzig.«
»Sechsundfünfzig. Alles in allem ist es vielleicht doch keine so gute Idee, daß wir hier auf Hundejagd gehen. Aber eines will ich dir sagen, Tom. Du hast uns dazu überredet abzuwarten, und wenn irgend etwas passiert, dann halten wir uns an dich.«
Hardman, der nicht so leicht einzuschüchtern war, hielt dem Blick seines Freundes stand. »Meine Verantwortung kenne ich, Charlie. Du brauchst mich nicht darauf hinzuweisen.«
Man einigte sich, das Hundeproblem bei der nächsten Sitzung offiziell zu behandeln – falls es bis dahin noch ein Problem war.
Als Thomas Hardman nach Hause ging, fand er am Rand der Schlucht bei seinem Haus frische Tierfährten.
»Diese alten Narren schießen sich noch gegenseitig in den Hintern«, sagte er, als seine Frau das Abendessen auf den Tisch brachte.
Frieda Hardman hatte ein feines Gefühl für die Stimmungen ihres Mannes. Sie merkte, daß ihm die Nachmittagssitzung noch im Kopf herumging. »Ja, Tom.«
»Ich weiß nicht, was in die Burschen gefahren ist. Sie waren ganz anders als sonst. Vor allem Ned Stewart.«
Frieda legte ihm eine Extraportion Bratkartoffeln nach. Es war das Alter, das ihnen Probleme bereitete, das wußte Frieda. Sie hatten Angst, nicht mehr gebraucht zu werden. »Vielleicht ist es nur der Winter«, sagte sie. »In diesem Jahr ist er so schlimm wie schon lange nicht mehr.«
»Und?«
»Man kommt eben nicht mehr aus dem Haus. Schließlich fällt einem die Decke auf den Kopf. Mit den Hunden hätten sie was zu tun.« Frieda Hardman, eine ruhige, nachdenkliche Frau, ergänzte ihren Mann auf sehr glückliche Weise. In den einundvierzig Jahren ihres gemeinsamen Lebens war ihre gegenseitige Liebe niemals erschüttert worden.
»Ausgerechnet Hunde?« Er schüttelte skeptisch den Kopf. »Ich weiß nicht.«
»Was sie sich für eine Beschäftigung suchen, ist doch ganz gleich. Zufällig sind eben die Hunde da.«
In dieser Nacht schneite es stark. Die Meute im Wald drängte sich frierend zusammen. Die Knochen des Hirsches, den sie einige Tage zuvor gerissen hatten, bedeckte der Schnee. Ein großer Deutscher Schäferhund, das Leittier der Rotte, fing ein Kaninchen, dessen Schädel er mit einem einzigen Biß zerdrückte. Großzügig ließ er den anderen Schäferhund und den kranken Terrier-Mischling an seinem Mahl teilnehmen.
Aber das reichte nicht, ihr Hunger wurde immer größer. Das Kaninchen war die letzte Nahrung, die sie in den nächsten zwei Tagen finden würden.
2.
Burrows Island ist eine fast vergessene Insel vor der Spitze von Long Island. Während des Unabhängigkeitskrieges befand sich hier ein kleiner Vorposten, der die Zufahrt zum Sund von Long Island kontrollierte. Als ein englisches Schiff im Sturm an der Küste der Insel strandete, kam es zu einem kurzen Gefecht mit der Besatzung des Schiffes, in dem der vierundzwanzig-jährige Jakob Burrows getötet wurde. Nach dem Krieg wurde die Insel offiziell nach diesem gefallenen Soldaten benannt.
Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wurde sie ,wiederentdeckt’. Ein Zustrom mittelständischer Urlauber setzte ein, der die gutsituierten Bewohner von Burrows Island zum Rückzug bewog. Als Flugreisen für jedermann erschwinglich wurden, suchten sich die Urlauber exotischere Ferienziele, und der Fremdenverkehr auf der Insel kam fast zum Erliegen. Im Winter lebten nur sechs Familien und ein paar Tiere auf Burrows Island. Von Oktober bis Februar überquerte die Bountiful Island, eine von vier kleinen Fähren, die im Sommer die Insel ansteuerten, zweimal im Monat
den Sund von Long Island, und brachte Lebensmittel, Post und einige wenige Besucher. Die Rückfahrt trat sie gewöhnlich ohne Fracht an. So war die Rede davon, die winterlichen Fahrten der Fähre auf eine im Monat zu beschränken.
Thomas und Frieda Hardman fuhren zum Kai, um die drei abreisenden Familien zu verabschieden und die bestellten Lebensmittel entgegenzunehmen. Und sie begrüßten freudig ihren fünfunddreißig Jahre alten Sohn Larry, seine dreiunddreißigjährige Frau Diane, die beiden Kinder und Dopey, den Basset.
Seit ihrem letzten Besuch vor sieben Monaten hatten sie sich nicht mehr gesehen. Frieda Hardman lächelte glücklich, als sie Diane sagte, wie
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