Die Mitternachtsprinzessin
kleines Land, aber wie du siehst, gewährt seine Lage jenen, die es kontrollieren, einen strategischen Vorteil. Dein liebenswürdiger Verwandter, Lord Griffith, hat mir erzählt, wie wichtig die englischen Interessen sind, was Kavros angeht. Willst du mehr davon hören?“
Er nickte, wobei er Sophia weiterhin mit Skepsis betrachtete.
„Mit der Marinebasis in meiner Heimat ist es möglich, Englands Position auf Malta zu stärken. Die königliche Marine kann so auch die Handelswaren schützen, die über den Landweg von Indien über Ägypten kommen. Und natürlich soll dieser Posten den Briten einen Vorteil in der Mitte Europas verschaffen. Deshalb hatte auch Napoleon Kavros haben wollen.“ Sie sah ihn an. „Und alle anderen Mächte.“
Als sie den Stab niederlegte, wandte Gabriel sich zu ihr. Sie sah, dass er über all das nachdachte, während er weiterhin die Arme vor der Brust verschränkte.
„Unglücklicherweise macht eure Marine keine Fortschritte bei meinem Volk, jedenfalls was ihr Ansehen betrifft. Wir sind ein starrsinniges Land“, meinte sie und lächelte etwas schief. „Die Menschen auf Kavros sind einfach - Ziegenhirten, Weinbauern, Fischer. Sie wollen ein Leben in Frieden. Aber fast zwanzig Jahre Krieg haben unser Land in ein Chaos gestürzt. Diejenigen, die meiner Familie die Treue gehalten haben, informieren mich über die Bedingungen.“ Sie schüttelte den Kopf bei dem Gedanken an die entmutigenden Lebensumstände, die dort herrschten. „Häfen und Straßen, Brücken und Aquädukte sind durch Bomben zerstört worden und wurden nie repariert.
Menschen meines Landes sind auf Hilfe angewiesen, und sie sind zornig. Sie kämpfen nicht nur gegeneinander, sie haben auch begonnen, die britischen Truppen, die dort stationiert sind, anzugreifen. Meine größte Angst ist, dass sie einmal zu weit gehen und eine Gegenreaktion herausfordern.“
Er lachte verächtlich. „Sie sind noch immer nicht überzeugt von der Selbstdisziplin der Engländer?“
Sie bemerkte, wie doppeldeutig seine Worte waren, beschloss aber, dazu nichts zu sagen.
„Wegen all der Unruhen in Kavros hat die englische Regierung beschlossen, mich auf den Thron meines Vaters einzusetzen“, sagte sie. „Ich bekomme die Gewalt über alle inneren Angelegenheiten, während England die Außenpolitik handhabt. Leider hat sich gezeigt, dass einige Menschen es gar nicht gern sehen würden, wenn ich zurückkomme. Aber ich lasse mich dadurch nicht aufhalten. Dies ist meine Pflicht, Gabriel. Mein Schicksal. Mein Volk braucht mich. Und wenn du möchtest, dann würde ich mich freuen, wenn du mich bei meinem Kampf unterstützt.“
Eine Weile sah er sie nur an, schließlich schüttelte er den Kopf. „Du solltest mir davon etwas geben“, meinte er dann und griff nach dem Glas mit dem Brandy, das sie beiseite gestellt hatte.
Er trank den Rest in einem einzigen Schluck aus. Belustigt beobachtete sie, wie er sich die Lippen leckte. Nachdem er das Glas geleert hatte, konzentrierte er sich wieder auf sie.
„Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?“
„Ich konnte nicht! Gabriel, so lauteten die Regeln!“
„Dachtest du nicht, dass du mir vertrauen kannst?“
„Mach dich nicht lächerlich. Stell dir vor, du hättest in Indien jemand zu bewachen, der sich nicht streng an die getroffenen Vereinbarungen hält, obwohl dich dies dein Leben kosten könnte? Wie würde dir das gefallen? Wenn ich bedenke, was meine Männer alles für mich riskiert haben, dann war es das Mindeste, was ich tun konnte, das verdammte Protokoll zu beachten. Und wenn das bedeutete, dich zu belügen - nun, dann tut es mir leid, wenn du dich hintergangen fühlst. Ich wollte dir die Wahrheit sagen, aber als du mir erzähltest, wie du um ein Haar getötet wurdest, stand für mich fest, dass ich dich da heraushalten muss. Vielleicht habe ich versucht, dich zu beschützen, ich weiß nicht.
„Mich beschützen?“
„Nach allem, was du durchgemacht hast, wollte ich dich da nicht hineinziehen. Unglücklicherweise ist das nicht länger möglich. Für mich und für mein Volk steht so viel auf dem Spiel, und du bist der Einzige, bei dem ich das Gefühl habe, dass ich dir vertrauen kann.“
„Was meinst du damit?“
„Als Folge des Angriffs zwingt mich das Außenministerium jetzt dazu, einen englischen Offizier als Anführer meiner Leibwache zu akzeptieren. Sie versuchten, irgendwen dafür abzustellen, aber ich habe Lord Griffith gesagt, dass es zumindest ein Mann meiner Wahl
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