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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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finde, wir sollten uns beim Vorna men nennen, wie man das in Amerika tut. Haben Sie etwas dagegen?«
    »Nein, Judd, nicht das geringste.« Ihr Lächeln war unsicher. »Schließlich ist meine Mutter Amerikanerin gewesen, und ich habe lang genug in den Staaten gelebt.« Der Oberkellner trat an den Tisch und verbeugte sich. »Sie werden am Telefon verlangt, Frau Dr. Zabiski.« Die kleine Ärztin wandte sich an Judd. »Bitte entschuldigen Sie mich für einen Moment.«
    Judd nickte und erhob sich für einen Augenblick vom Stuhl, als die Ärztin den Tisch verließ. Dann wandte er sich an Sofia. »Ihr persönlicher Hintergrund ist erstaunlich. Amerika und Rußland.«
    »So erstaunlich nun auch wieder nicht«, meinte Sofia. »Dies sind eben die beiden einzigen Länder, die sich sol-che Forschungseinrichtungen leisten können, wie sie für mein Spezialgebiet erforderlich sind.
    Wahrscheinlich hätte ich mich gar nicht auf diese Fachrichtung spezialisieren können, wenn mein Vater nicht fünfundzwanzig Jahre lang bei den Vereinten Nationen gearbeitet hätte und ich nicht in New York geboren worden wäre. Als er nach Jugoslawien zurückkehrte, ging ich in die Sowjetunion. In Jugoslawien konnte ich erst arbeiten, als sich unsere Regierung für die Erfolge von Dr. Zabiski zu interessieren begann und ihr Institut im großen Stil ausgebaut wurde.«
    »Das war vor rund zwei Jahren«, sagte Judd. »Aber als hochqualifizierte Ärztin hätten Sie doch irgendwo anders auf der Welt sicher mehr Geld verdienen können als hier?« »Möglich«, entgegnete sie. »Aber dann hätte ich nicht mit Dr. Zabiski zusammenarbeiten können, die auf unserem Gebiet schlicht genial ist.«
    »Das haben Sie sehr schön gesagt«, meinte Judd. »Das ist meine ehrliche Meinung«, erklärte sie. Mit einem raschen Seitenblick stellte Judd fest, daß Dr. Zabiski zurückkam. Rasch erhob er sich von seinem Stuhl. Die Ärztin sah blaß aus. »Ist alles in Ordnung?« fragte er, während sie Platz nahm.
    Sie beobachtete ihn, als er sich wieder setzte. »Es war nichts Wichtiges«, meinte sie, aber sie konnte ihren Blick nicht von Judds kobaltblauen Augen losreißen. Wieder überlief sie ein eiskalter Schauer. Wußte der Amerikaner, was in ihr vorging? Sie senkte den Blick und breitete sorgfältig die Serviette auf ihrem Schoß aus, ehe sie den Blick wieder hob. »Es wäre doch merkwürdig«, sagte sie schließlich, »wenn wir am Ende feststellen müßten, daß Tod und Unsterblichkeit ein und dasselbe sind, oder?«
    Tod und Unsterblichkeit. Die Worte weckten tief in seinem Inneren ein Echo. Es mußte zwanzig Jahre her sein, daß Judd diese Worte schon einmal gehört hatte. Sein Vater hatte damals fast genau denselben Gedanken geäußert.
    Es war im Jahre 1956 gewesen. Genau zwei Tage nachdem General Eisenhower zum zweiten Mal zum Präsidenten gewählt worden war, hatte Judd den ersten Morgenzug von Boston nach New York genommen.
    Es war ein frischer, sonniger Tag und Judd war direkt von der Grand Central Station zur Park Avenue hinaufgegangen. New York, wie es pulsierte, war aufregend, und er freute sich, inmitten der hastenden Menschenmenge spazierenzugehen. Hier ging es anders zu als auf dem Campus in Harvard. Ein Blick auf die Uhr zeigte ihm, daß er noch über eine Stunde Zeit hatte. Sein Vater erwartete ihn erst um zwölf.
    Als er vor dem neuen Bürogebäude stand, war er immer noch zwanzig Minuten zu früh dran. Er ging die Treppe zwischen den beiden Springbrunnen hinauf, warf einen Blick auf die schimmernden Edelstahlbuchstaben über dem Eingang, die den Namen CRANE INDUSTRIES bildeten, und dann öffneten sich vor ihm die Glastüren. Der Anblick der marmorglänzenden Halle beeindruckte ihn. Er lehnte sich an eine der Säulen und sah zu, wie die Leute hinein- und hinausgingen. Er hatte ja Zeit.
    Nach ein paar Minuten baute sich ein uniformierter Sicherheitsbeamter mit einem Revolver im Halfter wichtigtuerisch vor ihm auf. »Was machen Sie denn hier, mein Freund?« fragte er und rückte sein Koppel zurecht. »Ich habe eine Verabredung und war ein bißchen zu früh dran. Deshalb warte ich hier«, antwortete Judd höflich. »Das geht nicht«, erklärte der Wachmann. »Wenn Sie zu früh dran sind, müssen Sie eben später noch einmal kommen.«
    Judd zuckte die Achseln. »Dann fahre ich gleich rauf«, sagte er und wollte zum Expreßaufzug gehen. Der Wachmann stellte sich ihm in den Weg. »Da oben ist nur die Geschäftsleitung.«
    »Ich weiß.« Judd ließ sich nicht

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