Die Morde des Herrn ABC
Augenschein nehmen.»
«Gar nicht», fiel Poirot rasch ein. «Da haben Sie mich missverstanden.»
«Sie würden auch nichts daraus ersehen», sagte Carter.
«Es war kein Ledergürtel – auf dem eventuell Fingerabdrücke hätten zurückbleiben können –, sondern eine Art Strick aus dicker Seide – ideal für diesen Zweck!»
Mich schauderte.
«Also denn», schloss Crome die Unterhaltung, «dann wollen wir gehen.»
Unser erster Besuch galt der «Ginger Cat». Der kleine Tearoom lag zum Strand hinaus. Auf den Tischen waren orangefarbene Tischtücher ausgebreitet, und die denkbar unbequemen Rohrsessel zierten Kissen von der gleichen Farbe. Es war eines jener Cafés, die hauptsächlich Frühstück servieren und für Damen kleine, frugale Mittagessen bereithalten. Spiegeleier und Teigwaren, au gratin zum Beispiel.
Der Morgenkaffee war eben in vollem Gange. Die Geschäftsführerin lotste uns sofort in ihr ziemlich unordentliches Allerheiligstes hinter dem Geschäft.
«Miss – hm – Merrion?», fragte Crome.
Mit einer hohen, vornehm sein wollenden Stimme stieß Miss Merrion seufzend hervor: «So heiße ich. Eine traurige Angelegenheit. Schrecklich traurige Angelegenheit. Und welche Rückschläge das für unser Geschäft bedeuten kann – daran darf ich gar nicht denken.»
Miss Merrion war eine magere Frau von vierzig Jahren. Mit ihren fast orangeroten Haaren glich sie auffallend einer rötlichen Katze – dem Emblem ihres Etablissements. Sie spielte nervös mit verschiedenen Fichus und Krausen, die einen Teil ihrer Arbeitstracht ausmachten.
«Ihr Lokal wird überlaufen werden», tröstete der Inspektor. «Warten Sie nur. Sie werden Ihre vielen Kunden nicht schnell genug bedienen können.»
«Ekelhaft!», rief Miss Merrion aus. «Wirklich ekelhaft! Man könnte an den Menschen verzweifeln.»
Dennoch sah sie jetzt wieder etwas zuversichtlicher in die böse Welt.
«Was können Sie mir über das verstorbene Mädchen sagen, Miss Merrion?»
«Nichts», antwortete die Dame fest. «Absolut nichts.»
«Wie lange hat sie hier gearbeitet?»
«Den zweiten Sommer.»
«Waren Sie zufrieden mit ihr?»
«Sie war eine gute Kellnerin, anstellig und liebenswürdig.»
«Und war sie hübsch?», fragte Poirot.
Dafür erntete er nun von Miss Merrion den bewussten «O-diese-Ausländer»-Blick.
«Sie war ein nettes, adrettes Mädchen», sagte sie kühl.
«Um wie viel Uhr verließ sie gestern Abend ihren Arbeitsplatz?», fragte Crome.
«Um acht Uhr. Wir schließen um acht. Abendessen servieren wir nicht. Es besteht auch gar keine Nachfrage. Manchmal kommen vor sieben Uhr noch Leute, die Rührei und Tee bestellen» (Poirot schauderte), «aber das Hauptgeschäft ist um halb sieben vorüber.»
«Hat sie Ihnen gesagt, was sie für den Abend vorhatte?»
«Nein, natürlich nicht», lautete die entschiedene Antwort. «So freundschaftlich standen wir nicht miteinander.»
«Es kam niemand und fragte nach ihr?»
«Nein.»
«War sie so wie immer? Nicht aufgeregt oder deprimiert?»
«Das könnte ich wirklich nicht sagen», murmelte Miss Merrion ausweichend.
«Wie viele Angestellte beschäftigen Sie?»
«Normalerweise zwei, und dann noch zwei weitere während der Zeit vom zwanzigsten Juli bis Ende August.»
«War Miss Barnard eine Aushilfe?»
«Nein, Miss Barnard war eine fest angestellte Kraft.»
«Wer ist die andere?»
«Miss Higley. Eine sehr nette junge Dame.»
«War sie mit Miss Barnard befreundet?»
«Das könnte ich wirklich nicht sagen.»
«Dann werden wir besser selber mit ihr sprechen.»
«Jetzt?»
«Wenn ich bitten darf.»
«Ich werde sie hereinschicken. Aber bitte, halten Sie Miss Higley nicht länger auf als unbedingt nötig. Wir haben gerade jetzt sehr viel zu tun – Morgenkaffeezeit, verstehen Sie.»
Die katzenartige, rötliche Miss Merrion ging hinaus.
«Unsäglich fein», lachte Kelsey. Er ahmte den hohen Tonfall der Dame nach. «Das könnte ich wirklich nicht sagen.»
Ein dickliches Mädchen mit dunklen Haaren, rosigen Wangen und vor Aufregung funkelnden Kulleraugen stürzte atemlos ins Zimmer.
«Miss Merrion hat mich hergeschickt», verkündete sie mit erstickter Stimme.
«Miss Higley? – Sie kannten Elizabeth Barnard?»
«Ja, ich kannte Betty. Ist es nicht schrecklich? Es ist zu schrecklich! Ich kann einfach nicht glauben, dass es wahr ist. Ich habe den anderen den ganzen Morgen gesagt, dass ich es einfach nicht glauben kann! ‹Wisst ihr›, habe ich gesagt, ‹das kommt mir unwirklich
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