Die Morde des Herrn ABC
dass Sie denken…»
«Lassen Sie nur, mein Guter, regen Sie sich nicht auf. Das ist doch alles ganz unwichtig. Und selbst diese Dummheiten könnten uns nützlich sein.»
«Wie um alles in der Welt?»
«Eh bien», sagte Poirot grimmig, «wenn unser Verrückter liest, was ich angeblich dem Daily Soundso berichtet habe, dann wird er bald allen Respekt vor mir verlieren und mich als Gegner nicht mehr für voll nehmen.»
Vielleicht gewinnt man aus meinen Schilderungen den Eindruck, als wären damals die Untersuchungen praktisch eingestellt worden. Ganz im Gegenteil! Scotland Yard und die Ortspolizeien waren unermüdlich an der Arbeit und verfolgten selbst die nichts sagendsten Hinweise mit bewunderungswürdiger Gewissenhaftigkeit. Hotels, Fremdenzimmer, Pensionen – alles wurde in einem weiten Umkreis der Tatorte eingehend durchstöbert und alle damit zusammenhängenden Personen verhört.
Hunderten von Erzählungen fantasiebegabter Menschen, die «einen sonderbar aussehenden Mann, der die Augen wild rollte», oder «einen brutalen Menschen mit finsterem Gesicht» irgendwo gesehen haben wollten, wurde bis ins kleinste Detail nachgegangen. Keine einzige Information, auch nicht die unklarste, wurde außer Acht gelassen. Züge, Autobusse, Trams – Gepäckträger, Zugführer, Kioskangestellte, Bahnhofsvorstände –, es war eine unabsehbare Kette von Fragen, Antworten und Richtigstellungen.
Mindestens zwanzig Personen wurden festgehalten und so lange ausgefragt, bis sie die Polizei von ihren Alibis während der fraglichen Nächte überzeugen konnten.
Das Ergebnis all dieser Bemühungen war nicht gänzlich wertlos. Einige der Feststellungen, die man als möglicherweise aufschlussreich notierte, schienen zu einer Lösung zu führen; aber solange nicht wirkliche Beweise dazukamen, blieben auch sie unbrauchbar.
Während Crome und seine Kollegen also mit Feuereifer an der Aufklärung der Morde arbeiteten, schien Poirot in gänzlicher Untätigkeit zu erstarren. Darüber hatten wir manchen Wortwechsel.
«Aber was möchten Sie denn, das ich unternehmen soll, mon ami? Die Routinefragen stellt die Polizei den Leuten viel besser! Sie wollen immer, dass ich herumrenne wie ein Hund!»
«Wohingegen Sie zu Haus sitzen wie ein – wie ein…»
«Vernünftiger Mensch! Meine Stärke, Hastings, liegt in meinem Gehirn und nicht in meinen Füßen! Die ganze Zeit, während welcher ich Ihnen so sinnlos herumzusitzen schien, habe ich intensiv nachgedacht.»
«Nachgedacht!», rief ich erbittert aus. «Ist jetzt die Zeit zum Nachdenken?»
«Ja, tausendmal ja!»
«Aber was können Sie denn erreichen, wenn Sie nachdenken? Sie kennen doch die Tatsachen der drei Fälle in- und auswendig!»
«Ich denke ja auch gar nicht über diese Tatsachen nach, sondern über den Geist des Mörders.»
«Den Geist eines Verrückten!»
«Richtig. Und das erschwert meine Überlegungen. Aber wenn ich erst einmal weiß, wie dieser Mörder denkt und empfindet, dann werde ich auch herausfinden, wer er ist. Und immer lerne ich mehr von ihm kennen. Was wussten wir nach dem Mord in Andover über ihn? So ziemlich gar nichts. Und nach Bexhill? Ein wenig mehr. Und nach dem Churston-Mord? Wieder ein wenig mehr. Für mich nimmt er langsam Form an – nicht was Sie natürlich interessiert: sein Gesicht und seine äußere Erscheinung! –, aber innerhalb welcher Grenzen sich sein Geist bewegt. Nach seinem nächsten Mord…»
«Poirot!»
Mein Freund sah mich ungerührt an.
«Aber ja, Hastings, ich bin fast sicher, dass er noch ein Verbrechen begehen wird. Bisher hat unser Unbekannter Glück gehabt. Das nächste Mal könnte er Pech haben. So oder so werden wir nach dem nächsten Mord unendlich viel klarer sehen. Verbrechen sind sehr, sehr verräterisch. Versuchen Sie, Ihre Methoden zu wechseln, Ihren Geschmack, Ihre Gewohnheiten, Ihre Geisteshaltung – Ihre Seele verrät sich doch durch Ihre Handlungen. Dieser Fall weist verwirrende Merkmale auf. Manchmal kommt es mir so vor, als seien zwei verschiedene Köpfe am Werk – aber bald werden sich die Umrisse schärfer zeigen, und ich werde klar sehen.»
«Wer es ist?»
«Nein, Hastings, ich werde weder seinen Namen noch seine Adresse wissen! Aber ich werde wissen, welche Art Mensch er ist.»
«Und dann?»
«Et alors, je vais à la pêche.»
Da ich ihn fassungslos ansah, fügte er erklärend hinzu:
«Sehen Sie, Hastings, ein gewiefter Fischer weiß ganz genau, welche Fliege er welchem Fisch anbieten muss. Ich werde
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