Die Muenze von Akragas
eine kleine Zerrung. Eine Salbe und ein Verband, der ein paar Tage lang ertragen werden muss.
Doch es ist offensichtlich, dass der Beamte vor allem gekommen ist, um mit ihm über den Mord an Cammarota zu sprechen.
Und er scheint ihm etwas Wichtiges mitteilen zu müssen. Denn er trägt diese listige, überlegene Miene zur Schau, die er beim Kartenspiel im Klub aufsetzt, wenn er ein gutes Blatt in der Hand hat.
«Haben Sie fünf Minuten Zeit für mich?»
An diesem Nachmittag ist das Wartezimmer fast leer.
«Gerne auch zehn.»
Melluso holt weit aus.
«Könnten Sie, ein Mann der Wissenschaft, mir sagen, ob ein intelligenter Mensch immer intelligent ist?»
«Wenn einer intelligent ist, ist er es immer. Doch es kann durchaus vorkommen, dass ein intelligenter Mensch sich wie ein Idiot benimmt. Wenn man verliebt ist, geschieht das häufig.»
Der Polizist schließt lächelnd die Augen, er sinnt einer persönlichen Erinnerung nach.
«Wohl wahr.»
«Warum fragen Sie mich das?»
«Wissen Sie was? Als ich mich auf Ihren Hinweis hin mit zwei Polizisten nach Belfico begeben habe… nun, während ich die Leiche dieses armen Bauern betrachtete, habe ich plötzlich eine Erleuchtung gehabt, einen Geistesblitz…»
«Was haben Sie entdeckt?»
«Um die Wahrheit zu sagen, habe ich nichts entdeckt, sondern nur, wie soll ich sagen, einen Zusammenhang hergestellt.»
«Mit was?»
«Ich habe den Vater mit dem Sohn verbunden.»
Spielt der Ermittler jetzt Rätselraten?
«Können Sie mir das bitte genauer erklären?»
«Ist Ihnen bekannt, dass Cosimos Sohn Pietrino eine Haftstrafe absitzt, weil er aus nichtigen Beweggründen einen jungen Fuhrknecht namens Michele Bonavia ermordet hat?»
«Ja, das wusste ich.»
«Ihr Kollege Manfredonio, der Cammarotas Autopsie durchgeführt hat, ist absolut sicher, dass das Verbrechen letztes Jahr in den Tagen um Weihnachten begangen wurde.»
Nach dem Zustand von Cosimos Leiche zu urteilen, kann Gibilaro dem Gerichtsmediziner nur beipflichten.
«Nun», verkündet der Beamte, «Pietrino ermordete Bonavia vor dreizehn Jahren in der Nacht zwischen dem 23. und 24. Dezember.»
Er macht, auf Wirkung bedacht, eine Pause und fragt dann:
«Finden Sie nicht, dass das ein seltsamer Zufall ist?»
Ein Wort, das dem Doktor nicht behagt.
«Ich glaube nicht an Zufälle.»
«Sie glauben nicht an Zufälle?»
«Besser gesagt: es gibt sie zwar, aber nur weil wir sie als solche sehen wollen. Sei’s drum, fahren Sie fort.»
«Bonavia», erklärt der Beauftragte für die öffentliche Sicherheit in gewichtigem Tonfall, «hinterließ einen Sohn, der damals fünf Jahre alt war. Saverio.»
Der also jetzt achtzehn sein müsste.
Schlagartig begreift der Doktor, worauf Melluso hinauswill.
O nein, hier muss sofort Abhilfe geschaffen werden. Der Beamte bringt alles durcheinander, er wird auf eine falsche Fährte geraten.
Was hat dieser Saverio damit zu tun?
«Sie haben also den Verdacht, dass Saverio indirekt Rache an Pietrino nehmen wollte? Das Leben deines Vaters für das Leben meines Vaters?»
Melluso hört aus der Stimme des Doktors verhaltene Skepsis heraus und wird ärgerlich.
«Ich habe gute Gründe für diese Annahme, oder etwa nicht?»
«Dann erklären Sie mir, warum er dreizehn Jahre gewartet haben soll.»
«Wenn man das wüsste… Er wird die Volljährigkeit abgewartet haben, vielleicht hatte er auch einen anderen Grund… Die hinausgezögerte kalte Rache ist immerhin typisch für unsere Mentalität. Kennen Sie die Geschichte von Marchese Blandino?»
«Nein.»
«Marchese Blandino liebte seine Frau heiß und innig. Stellen Sie sich seinen Schmerz vor, als er entdeckte, dass sie ihn mit Baron Curreli betrog. Und dass sie in den Baron verliebt war. Der Marchese tat nichts, er litt stumm. Die heimliche Liebesgeschichte der beiden dauerte zwanzig Jahre. Dann starb die Frau. Einen Tag nach der Beerdigung erschoss Marchese Blandino den Baron. Als er gefragt wurde, warum er das nicht früher getan habe, sagte er, er habe seiner Frau keinen Kummer machen wollen.»
«Na gut, aber welchen Grund hatte Saverio, den Toten zu entkleiden und seine Sachen mitzunehmen?»
Melluso lächelt.
«Ihnen ist offenbar vollkommen unbekannt, wie Bonavia von Pietrino umgebracht wurde.»
«Darüber weiß ich tatsächlich nichts.»
«Er schlug ihm mit einem Stein den Schädel ein. Dann zog er dem Toten die Kleider aus und warf ihn in einen Brunnen.»
«Warum zog er ihn aus?»
«Beim Prozess hat er das nicht erklären
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