Die Muenze von Akragas
Nachmittag klopft es an die Tür, als der Doktor sich gerade anschickt, sein Schläfchen zu machen. ’Ndondò geht die Tür öffnen. Dann verkündet sie ihrem Mann mit einem kaum verhehlten boshaften Lächeln, dass ein Bauer mit Namen ’Ntonio Prestia im Vorzimmer wartet. Ihre diebische Freude darüber, dass sie ihrem Mann das Mittagsschläfchen verdirbt, kann sie nicht verbergen. Doch sie wird enttäuscht, denn der Doktor flucht gar nicht, sondern springt auf und sagt:
«Lass ihn im Salon Platz nehmen.»
Sie geben sich die Hand. Prestia sitzt verlegen auf dem Sesselrand.
«Wie kommt es, dass ihr nicht mehr unten beim Sperone arbeitet?»
«Das kam so, Dottore. Den verfluchten Morgen, wann Ihr vom Pferd gefallen seid, wenn Ihr Euch erinnert, habt Ihr Ernesto geschickt, Eurer Frau Bescheid zu sagen, und ich hab Euch mit dem Maultier ins Krankenhaus begleitet.»
«Ich erinnere mich sehr gut.»
«Wie ich zum Sperone zurückkomm, find ich Cosimo und Ernesto, die auf mich warten und haben eine schlechte Nachricht für mich.»
«Welche?»
«Der Aufseher vom Baron Loduca war vorbeigekommen, und wie er Ernesto und mich nicht bei der Arbeit sieht, wurde er böse. Cosimo hat versucht, ihm zu erklären, was passiert war, aber da war nichts zu machen, der Aufseher war so wütend, dass er uns alle drei entlassen hat.»
«Also habt ihr meinetwegen eure Arbeit verloren?»
«Ja, aber gleich nach Weihnachten hab ich eine andre gefunden. Sie sagten, ich könnt auch einen Kameraden mitbringen. Also geh ich zu Cosimo. Aber die Tür war mit dem Riegel verschlossen. Und seit dem Tag hab ich nichts mehr von ihm gehört.»
«Hast du Ernesto gesehen?»
«Nein, auch den nicht seit damals.»
«Hör zu, ich erinnere mich genau, dass Cosimo die Münze aus der Hand fiel, als ich vom Pferd stürzte.»
«So war es. Aber wie ich zurückkomm aus Girgenti, nachdem ich Euch hingebracht, da hat er sie noch. Wollte sie mir und Ernesto nicht zeigen. Und hat immer gesagt, er will sie Euch schenken, wann Ihr aus dem Spital kommt.»
Ungeachtet dessen, was er soeben von ’Ntonio gehört hat, kann der Doktor sich nicht zurückhalten.
«Und wenn er seine Meinung geändert hat?»
«Über was?»
«Vielleicht hat sein Sohn Pietrino noch einen draufgesetzt.»
«Aber worauf denn?»
Er kann nicht länger ausweichen.
«Möglich, dass Cosimo die Münze verkauft hat. Sie ist sehr wertvoll.»
«Haben wir alle drei kapiert, dass sie viel wert war. Aber der Herr irrt sich, wenn er so was denkt. Cosimo ist einer, der hält sein Wort. Wenn er was sagt, dann bleibt’s dabei.»
Er hat sich soeben hingelegt. Die Rathausuhr schlägt zehn Mal. Als er das Licht löschen will, hält ’Ndondò ihn zurück. «Warte. Ich will nachschauen, ob die Kohle gelöscht ist.»
Seit eine entfernte Verwandte von ihr an Sauerstoffmangel starb, weil die Kohle die ganze Nacht glühte, pflegt ’Ndondò vor dem Einschlafen mehrere Kontrollgänge zu machen. Sie kommt zurück, schlüpft unter die Decke.
«War aus. Aber das einzige, was hilft, ist nachschauen.»
Der Satz seiner Frau will ihm nicht aus dem Kopf.
«Das einzige, was hilft, ist nachschauen.»
Warum nicht?
Sechs Die Entdeckung
Obwohl er leichte Gewissensbisse verspürt, weil er gegen seine Pflichten verstoßen wird, bestärkt er sich beim Rasieren in der bereits getroffenen Entscheidung, nämlich die Patientenbesuche aufzuschieben. Kaum aus dem Haus, schlägt er, ohne zu zögern, den Weg in Richtung Belfico ein.
Er bindet das Pferd an den eisernen Bogen, der die Winde über dem Brunnen trägt, geht zur Tür, mustert sie.
Er hat einen großen Schraubenzieher mitgebracht, mit dem er die vier dicken Schrauben eine nach der anderen herausziehen könnte. Die Schrauben halten eine Metallplatte mit zwei vorstehenden Ösen, durch die der Riegel läuft, fest an das Holz der Tür gepresst.
Doch dann bemerkt er, dass zwar der Riegel neu, die Platte aber alt ist und der Rost die Schrauben mittlerweile förmlich in die Platte geschweißt hat.
Nein, dieser Versuch ist zwecklos, er wäre eine reine Zeitverschwendung. Prüfend betrachtet Gibilaro die Türangeln, die ganz offensichtlich den Schwachpunkt darstellen. Dort, wo die Angeln an den Türflügeln befestigt sind, ist das Holz an manchen Stellen morsch geworden, und die Schrauben haben kaum mehr Halt.
Ja, es ist genau so, wie er schon damals gedacht hatte, die Tür wird beim ersten Tritt nachgeben. Er blickt sich um. Die Einsamkeit
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