Die Muenze von Akragas
Eins Quasi eine Prämisse
Einen Tag vor der Wintersonnenwende fiel Akragas den Karthagern nach einer monatelangen Belagerung kurz vor Sonnenuntergang in die Hände.
Nach unserer Zeitrechnung war das im Jahr 406 v. Chr. Ein kalter, sogar ungewöhnlich frostiger Tag, doch niemand spürte die Kälte, weder die in der hitzigen Schlacht erbittert Kämpfenden, noch die in ihrer Todesangst glühenden Bürger.
Und unmittelbar nachdem jeder Widerstand aufgegeben war, brach das Plündern, Verwüsten und Abschlachten los.
Die Karthager stehen unter dem Kommando von Hannibal aus Gescon, dem Enkel von Hamilkar Gelon, welcher in Himera von den Akraganitern besiegt worden war. Eine schmachvolle Niederlage. Diese Niederlage will Hannibal rächen, indem er das mächtige Akragas vernichtet und seine Einwohner niedermetzelt.
Schon erhellen die Flammen des dem Zeus Atabyrios geweihten Tempels auf dem höchsten Hügel die Stadt; im Schein anderer haushoher Flammen zeichnet sich im Tal, unweit vom Meer, der heilige Ring der sieben großen Schutztempel ab. Akragas hat vor allem wegen des Verrats der achthundert Söldner aus Kampanien kapitulieren müssen. Sie haben sich für fünfzehn Talente an den Feind verkauft und zu anderen im Sold der Karthager stehenden kampanischen Soldaten gesellt, die vom listenreichen Himilkon angeführt werden.
Die restlichen eintausendfünfhundert Söldner im Dienst der Stadt Akragas haben sich unter dem Kommando des Spartaners Dexippos so tapfer geschlagen, dass die Karthager beschließen, ihren Mut mit dem Tod zu belohnen, der Befehl lautet, alle hinzurichten, es werden keine Gefangenen gemacht.
Kalebas konnte dem Blutbad entkommen, er weiß selbst nicht, wie, er hat sich totgestellt und ist stundenlang reglos unter einem riesigen Berg von Leichen liegengeblieben. Fast wäre er sogar im Blut seiner erstochenen Gefährten ertrunken.
Dann hat sich die blinde Zerstörungswut der Karthager auf die Erstürmung des Proserpina-Tempels konzentriert, der von den Männern von Akragas noch immer bis zum letzten Blutstropfen verteidigt wird, denn Hunderte Mädchen und junge Frauen haben sich in das Innere des Tempels geflüchtet, in der vergeblichen Hoffnung, dort grausamen Vergewaltigungen zu entrinnen.
Kalebas weiß, dass wenige Schritte von ihm entfernt einer der geheimen Eingänge zu den unterirdischen Wasservorräten liegt, er hat dort oft Wache gestanden, weil Dexippos fürchtete, ein Verräter könnte die riesigen Wannen mit Trinkwasser vergiften und der Belagerung so ein Ende bereiten.
Eines Tages ist er aus Neugier dort eingedrungen. Das war gefährlich, weil nur Befugte Zutritt haben und Verstöße sehr streng bestraft werden, weil außerdem das Netz der Tunnel, die zu den Wannen führen, sich über die Stadtmauern hinaus erstreckt und man von unvorsichtigen Eindringlingen erzählt, die sich in dem Labyrinth verirrt haben und nie mehr zurückgekehrt sind. An jenem Tag ist er bis zur mittleren Wanne gelangt, hat sich aber nicht weiter vorgewagt.
Der geheime Eingang ist eine Öffnung, die einem Mann bis zur Brust reicht, eine Art hohes, mit starken eisernen Stangen vergittertes Fenster, hinter dem man nichts als Dunkelheit sieht. Packt man die Gitterstäbe auf eine bestimmte Weise mit beiden Händen und drückt sie kräftig nach unten, geben sie allesamt nach und lassen sich dann von innen wieder einsetzen.
Zur Sicherheit wartet Kalebas noch eine Weile. Dann versucht er sich zu bewegen, doch er schafft es nicht, die langen Stunden der Bewegungslosigkeit haben ihn gelähmt. Seine Glieder schmerzen. Aber er muss handeln, jede Minute, die so vergeht, macht es schlimmer. Auf die Hände gestützt, gelingt es ihm, seinen Rücken ein paar Zentimeter zu krümmen. Mehr erlaubt das Gewicht der Leichen über ihm nicht. Doch während er kleine Bewegungen macht, spürt er nach und nach seine ganze Kraft wieder in sich erstehen wie eine halberloschene Leuchte, die wieder mit Öl gespeist wird.
Eine Stunde später ist er unter dem Haufen hervorgekrochen, hat sich im Licht eines in der Nähe brennenden Hauses seiner Kleider entledigt, die vom geronnenen Blut steif geworden sind, und sich die Toga und die Schuhe eines Bürgers von Akragas angezogen, der mit gespaltenem Schädel daliegt. Von seinen Sachen behält er nur den Dolch mit dem Gurt, die Feldflasche und das Säckchen mit den kostbaren Goldmünzen, seinem Lohn für eine lange Arbeitszeit, etwa acht jener Spannen, die wir heute Monate
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