Die Muenze von Akragas
Flüsschens gewesen sein muss, steigen sie vom Pferd, binden die Zügel der Tiere an Bäume und gehen zu Fuß weiter.
Das Häuschen ist zweistöckig, davor liegt ein kleiner Platz und an der Seite ein Garten um einen Brunnen. Tür und Fenster sind geschlossen.
Beim Anschleichen an das Häuschen bilden Gammacurta und Lodico, den Zeigefinger schon um den Abzug ihres Gewehrs gekrümmt, einen Fächer, indem der eine sich von links, der andere von rechts nähert, während Melluso mit leicht vorgebeugtem Oberkörper auf dem Pfad weitergeht.
Sie sind auf dem Vorplatz angekommen. Gammacurta zielt auf den einzigen Balkon im oberen Stockwerk, Lodico auf das Fensterchen neben der Eingangstür. Melluso zieht seinen Revolver hervor und klopft mit der linken Faust.
«Aufmachen! Polizei!»
Und gleich darauf tritt er vorsichtshalber zur Seite. Aus dem Inneren dringt kein Geräusch.
Melluso wartet ein wenig, dann versucht er es erneut.
Auch dieses Mal keine Antwort.
Tun sie so, als wären sie nicht da, oder sind sie wirklich nicht im Haus?
Doch der Garten sieht alles andere als vernachlässigt aus. Sie müssen da sein.
Der Vertreter der Sicherheitskräfte winkt Lodico zu sich, einen baumlangen Kerl, fast zwei Meter groß, und Schultern hat der…
«Schaffst du es, die Tür einzustoßen?»
«Ein Kinderspiel!»
Lodico übergibt dem Beamten sein Gewehr, macht für den Anlauf ein paar Schritte zurück und schießt dann los wie ein angreifender Widder.
«Aaaaaaaah!»
Der gellende Schrei stoppt Lodico wenige Zentimeter vor dem Ziel, und um rechtzeitig anzuhalten, muss er mit den Armen durch die Luft rudern wie Windmühlenflügel.
Die drei drehen sich um. Sie haben nicht bemerkt, dass hinter ihnen eine etwa fünfzigjährige Bäuerin aufgetaucht ist, spindeldürr, ganz in Schwarz gekleidet mit einem schwarzen Tuch auf dem Kopf. In der rechten Hand schwingt sie drohend einen knotigen Stock.
«Heda, warum wollt ihr mir die Tür einstoßen, ihr Dreckskerle?»
Und bevor die drei sich von der Überraschung erholen können: «Wenn ihr nicht sofort verschwindet, ruf ich die Gendarmen!»
«Signora, wir sind die Gendarmen», erklärt Melluso.
«Na, ihr macht mir Spaß! Gendarmen seid ihr und tretet Türen ein wie Diebe?»
«Wir dachten, es wäre niemand zu Hause.»
«Ach ja? Wenn ihr denkt, es ist niemand zu Haus, tretet ihr die Tür ein?»
Melluso hat genug.
«Seid Ihr Clementina Ficarra?»
«Sieht so aus.»
«Euer Ehemann ist Ernesto Ficarra?»
«Er war’s.»
«Was bedeutet war es?»
«Was wohl? Dass er früher mein Mann war.»
«Und jetzt ist er es nicht mehr?»
«Nein.»
«Und warum nicht?»
«Weil er starb.»
Ein Schlag mit der Eisenstange hätte weniger Wirkung gezeitigt. Der Sicherheitsbeamte schwankt. Nur mit Mühe kann er sprechen.
«Wie… wie starb er?»
«Lungenentzündung hat er gekriegt.»
«Und wa… wann war das?»
«Wann er starb? Am 10. Dezember letztes Jahr. Im Krankenhaus von Montelusa.»
«Ist denn Meldung von seinem Tod gemacht worden?»
«Was weiß ich? Mir hat man gesagt, die vom Krankenhaus kümmern sich drum.»
«Signora, diese Angelegenheit muss unbedingt geklärt werden. Sie müssen mit uns in den Ort kommen.»
«Gut, aber erst muss ich mich um den Garten kümmern. Deswegen komm ich jeden Morgen her.»
Damit es schneller geht, helfen Gammacurta und Lodico, Wasser aus dem Brunnen zu holen und die Pflanzen zu begießen.
Auf dem Rückweg erklärt die Witwe, nachdem sie für ein Gebet zu ihrem Seligen zehn Minuten Aufenthalt am Friedhof erbeten und erhalten hat, dass sie seit dem Tod ihres Mannes im Haus ihrer Schwester Mariannina, verheiratete Gelsomino, in der Via Alloro 28 lebt.
«Die Papiere, die man Ihnen im Krankenhaus gab, wo sind die?»
«Im Haus meiner Schwester.»
Die Papiere sind tatsächlich da.
Und es gibt auch einen Zettel mit dem Vermerk: «Am heutigen Tag, 10. Dezember 1909, Totenschein ans Einwohnermeldeamt von Vigata geschickt.»
Mit dem Zettel in der Tasche wartet Melluso angespannt und nervös, bis es Mittag wird. Jeden Sonntag um diese Zeit geht der Bürgermeister Sorrentino sein unvermeidliches Gläschen Cognac an einem Tisch des Café Trincaria trinken.
Heute ist der Bürgermeister allein, ausnahmsweise einmal nicht umringt von den üblichen ehemaligen Wählern, die sich nach der Wahl prompt in Bittsteller verwandelt haben.
«Darf ich mich setzen?»
«Mein lieber Polizeichef, Sie bei mir zu haben ist das reinste Vergnügen. Was darf ich Ihnen
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