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Die Muenze von Akragas

Titel: Die Muenze von Akragas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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kann.»
    «Ich höre.»
    «Kurz vor Schluss der Sprechstunde habe ich einen Bauern untersucht, und er hat mir von einem Gerücht erzählt, das auf dem Land umgeht.»
    «Und das besagt?»
    «Es besagt, dass Cosimo, wenige Tage bevor er getötet wurde, beim Umgraben am Sperone eine Art Schatz gefunden hat.»
    Melluso blickt ihn verblüfft an, dann bricht er in ein unbändiges, schallendes Gelächter aus.

 
     
    Acht       Peripetien einer Verhaftung
     
    «Ein sagenhafter Fund?», fragt der Beamte lachend. «Davon träumen doch alle Bauern, beim Umgraben einmal einen von Räubern vergrabenen Tonkrug voller Golddukaten zu finden! Es wird sogar behauptet, viele seien auf diese Weise reich geworden! Was erzählen Sie mir da, Dottore? An Zufälle glauben Sie nicht, aber an Legenden ja?»
    Der Doktor ist taub für die plumpe Ironie des Polizisten.
    «Es scheint, als hätte Cosimo nur eine einzige Münze gefunden, aus Gold, etwa zwei Gramm schwer.»
    «Und wie viel mag eine so kleine Münze wert sein?»
    «Unermesslich viel. Das sage ich Ihnen als Numismatiker.»
    Der Beamte wird ernst.
    «Entschuldigen Sie, aber wenn Sie die Münze nicht gesehen haben, wie können Sie dann…»
    «Der Bauer hat sie mir genau beschrieben. Ihm wiederum wurde sie von einem Bauern beschrieben, der sie mit eigenen Augen gesehen hatte.»
    «Aha!», macht der Beamte.
    Und eine Weile bleibt er stumm.
    «Nennen Sie mir den Namen dieses Bauern», sagt er plötzlich.
    «Welches Bauern?»
    «Ihres Patienten.»
    «Das kann ich nicht. Bevor er mir diese Geschichte erzählt hat, ließ er sich mein Ehrenwort geben, dass ich seinen Namen nicht nennen würde.»
    «Sie wissen, dass Sie damit die Ermittlungen behindern?»
    «Machen Sie sich nicht lächerlich. Im Gegenteil. Ich habe Sie soeben auf eine neue Fährte gebracht, vielleicht sogar die richtige.»
    Melluso setzt eine verächtliche Miene auf und brummt etwas, was klingt wie: Wenn man Freunden vertraut…
    «Einen Namen könnte ich Ihnen jedoch nennen», sagt der Doktor.
    «Wessen Namen?»
    «Des Bauern, der die Münze in Cammarotas Händen gesehen hat.»
    «Und?»
    «Ernesto Ficarra.»
    Den Namen von ’Ntonio Prestia verschweigt er. Denn über Antonio hat er sich ein genaues Urteil gebildet: Er hält ihn für vollkommen unfähig, jemanden zu töten.
    Es ist eine Gepflogenheit der Ordnungskräfte, Festnahmen oder Verhaftungen stets in den frühen Morgenstunden durchzuführen. Wie sie entstanden ist und warum sie beibehalten wird, darüber gibt es viele widerstreitende Meinungen. Freilich hat sich die Gepflogenheit immer dann als ein Fehler erwiesen, wenn der Gesuchte ein Bauer war, denn der pflügt in den frühen Morgenstunden meist schon längst auf einem Feld, das drei Stunden zu Pferd von seinem Haus entfernt liegt.
    Also beschließt der Polizeibeamte, nachdem er den Namen Ernesto Ficarra am Freitagabend erfahren hat, diesen am Sonntagmorgen zu holen. Auf diese Weise kann er zu neunzig Prozent sicher sein, den Mann noch im Bett vorzufinden.
    Einen Teil des Samstags verbringt Melluso damit, Erkundigungen über Ernesto Ficarra einzuziehen. Da dieser nicht vorbestraft ist und einen ordentlichen Waffenschein besitzt, informiert sich der Beamte beim Einwohnermeldeamt.
    Der Ertrag ist bescheiden: Ficarra ist ein Mann in den Fünfzigern, der mit seiner Frau Clementina in einem kleinen Bauernhaus in der contrada Canenero lebt. Er hat zwei Kinder, der Ältere, Sabatino, ist vor vielen Jahren nach Amerika ausgewandert, seine Schwester Gnesa ist mit einem Bauern aus Ribera verheiratet.
    Bevor er am Sonntag um fünf Uhr morgens vom Polizeibüro aus aufbricht, denn eine Stunde braucht man bis nach Canenero, gibt Melluso den beiden Polizisten, die ihn begleiten, Gammacurta und Lodico, ein paar gute Ratschläge. Er erklärt ihnen, dass der Mann, den sie abholen werden, sowohl nach der Aktenlage als auch den im Ort gesammelten Äußerungen zufolge ein ganz und gar unbescholtener, friedlicher Mensch zu sein scheint. Niemals ein Streit oder Familienzwist, kein Bußgeld, keinerlei Belästigungen im trunkenen Zustand… Doch, wie heißt es so schön, Gelegenheit macht nicht nur Diebe, sie macht auch den Mörder. Das könnte bei Ficarra der Fall sein. Also aufgepasst: Es ist nicht gesagt, dass er bei ihrem Anblick nicht erneut den Kopf verliert. Und er hat ein Jagdgewehr im Haus. Haben wir uns verstanden?
     
    Etwa zwanzig Meter vom Haus entfernt, dort, wo in vergangenen Jahrhunderten einmal das Kiesbett eines

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