Die Muenze von Akragas
gehauen, dass er’s um ein Haar sauber abgeschnitten hätte.
Um das Blut aufzuhalten, hat er die Haut von einer Schlange auf die Wunde gelegt, die hatte sich grad gehäutet, und hat alles mit einem Fetzen vom Hemd verbunden. Kommt, wie’s kommen muss, nach einer Woche war das Bein noch nicht heil, nein, es war sogar dunkelblau geworden und aufgegangen wie ein Hefebrot. So konnte er nicht mehr vom Bett aufstehen.
Da ließ sein Sohn, damals hatte er noch nicht den Mord begangen, den Amtsarzt holen, den Dottore Gaspano Giuffrida, der Ärmste war nämlich zu alt geworden, um andauernd übers Land zu ziehen und die Kranken zu heilen. Wie Dottore Giuffrida ihm den Verband abnimmt und die Wunde sieht, fängt er gleich an, dass das Bein brandig geworden ist und dass es kein Heilmittel mehr gibt, er muss sofort amputieren.
«Was soll das heißen, amputieren?», fragt Cosimo.
«Das soll heißen, dass ich’s dir bis zum Knie abschneide», antwortet der Doktor.
Dann bestellt er ihn für morgen früh in seine Praxis, damit er die Operation machen kann, und geht.
Aber ein Landmann ohne Bein ist kein Landmann mehr. Ein Baum ohne Wurzeln ist der. Ein trockner Baum gibt wenigstens noch Brennholz. Ein Landarbeiter ohne Bein aber ist nutzlos, der taugt zu gar nichts mehr. Nicht mal Dünger kann man draus machen.
Erst dachte er daran, sich in den Brunnen zu stürzen, um zu ersaufen, dann fiel ihm ein, es gab im Ort ja noch einen anderen Arzt, der war so um die dreißig und hieß Stefano Gibilaro.
Noch am selben Nachmittag lässt er sich hinbringen, den Esel hat er sich vom Nachbarn geborgt. Kurzum, es kommt so, dass der Dottore Gibilaro ihm nicht nur das Bein nicht abgeschnitten hat, er hat’s ihm auch in einem Monat geheilt, ist bloß ein bisschen steif geblieben. Und am Ende wollt er noch nicht mal bezahlt werden.
Nach einem Ritt von anderthalb Stunden verlässt der Doktor den Feldweg und schlägt einen Ziegenpfad ein, an dessen Ende ein kleines Bauernhaus steht, das Heim der Cusumano.
Er muss eine Visite bei der vierzigjährigen Amalia machen, einer unverheirateten Mutter von drei Mädchen, die im Ort leben, wo sie das älteste Gewerbe der Welt ausüben. Doch sie sind liebevolle, anhängliche Töchter, darum sorgen sie abwechselnd eine Woche lang für die Mutter. Die ist zum Skelett abgemagert, die Krankheit hat sie ausgezehrt.
Agata, die jüngste Tochter, achtzehn Jahre alt, steht praktisch nackt auf dem Hof und wäscht sich mit Wasser aus einer Schüssel. Sie lächelt ihn an.
«Wie geht’s deiner Mutter?»
«Schlechter als sonst. Heut Nacht hat sie immerfort vor Schmerzen geschrien.»
Er geht ins Haus. Agata folgt ihm, so wie sie ist, in der Unterhose, mit bloßer Brust. Als Amalia sieht, dass der Doktor sich über das Bett beugt, erkennt sie ihn und packt ihn am Arm.
«Gib mir die Spritze!», fleht sie ihn mit hauchdünner Stimme an.
Der Doktor entwindet sich ihrem Griff, öffnet das Köfferchen, das er auf dem Tisch abgestellt hat, und bereitet die Morphiumspritze vor. Eine ordentliche Dosis, denn so oder so…
Agata begleitet ihn nach draußen. Als der Doktor aufs Pferd steigen will, nimmt sie seine Hand, küsst sie.
«Danke…»
Dann legt sie die Hand des Doktors auf ihre nackte Brust.
«Wenn Euer Gnaden möcht…»
Der Doktor antwortet nicht, lächelt sie an, steigt auf und reitet davon.
Von der Abzweigung Commarella bis zum Sperone haben Cosimo und ’Ntonio auf dem Maultier zwei Stunden gebraucht. Dies Gelände heißt so, weil es unter einer Art Felsvorsprung liegt, der aus dem Berg von Cassaro herausragt wie ein Sporn. Der Berg markiert die Grenze zwischen dem Gebiet von Vigata und dem von Girgenti, was früher mal, zur Zeit der Griechen, eine große Stadt war, die hieß Akragas.
Der Boden gehört zum Grundbesitz vom Baron Loduca, und mitten hindurch geht ein Feldweg, der zu zwei Bauernhäusern führt. Drumherum ist alles Gebiet von Girgenti. Nach nicht mal fünf Minuten kommt Ernesto. Vierzig ist er und lacht immer, vielleicht muss er eine Fliege verscheuchen, die ihm auf der Nase sitzt.
Jetzt ist die Mannschaft komplett, sie können mit dem Hacken anfangen. Seit einer Woche arbeiten sie hier, haben aber so gut wie gar nichts geschafft. Dieser Boden ist seit Jahren nicht umgepflügt worden, kein Mensch weiß, wieso der Baron auf die Idee kommt, es ausgerechnet jetzt zu tun.
So hart ist die Erde, dass ihre Schaufeln gerade mal in die Oberfläche eindringen, wo die Erde vom Regenwasser
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