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Die Mütze

Die Mütze

Titel: Die Mütze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wladimir Woinowitsch
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und ging zur Tür.
    »Verstehen Sie mich recht, Efim, ich hätte Sie niemals grundlos angerufen, aber ich glaube, daß man Sie retten muß. Sie verstehen mich ?«
    »Ich verstehe Sie nicht«, sagte Efim, »Sie brauchen mich nicht zu retten. Ich bin nicht am Ertrinken. Sobald Sie mich nicht mehr für einen Menschen zweiter Klasse halten und mir eine anständige Mütze zuteilen, sind alle Probleme aus der Welt geschafft.«
    »Efim, Sie wissen nicht, was auf dem Spiel steht. Es geht jetzt nicht nur um die Mütze, sondern um jenen Körperteil, den sie bedeckt. Und ich möchte Ihnen helfen. Kommen Sie doch morgen, und wir werden zusammen überlegen, was zu tun ist.«
    »Gut.« Efim kapitulierte. »Wann?«
    »Nun, sagen wir - morgen so gegen sechzehn Uhr.«
    Efim fiel wieder einmal auf (und er trug diese Beobachtung in sein Notizbuch ein), daß die Dienststellung sich unweigerlich in der Sprache spiegelt. Wäre Lukin kein Natschalnik gewesen, dann hätte er wahrscheinlich »um vier« gesagt, da er aber einer war, sagte er »gegen sechzehn Uhr«.
    Er schwankte einen Augenblick, ob er nicht Lukin ärgern und ihm sagen sollte, er sei morgen verhindert und würde vielleicht übermorgen, vielleicht aber erst in der nächsten Woche Zeit haben.
    Leise, auf Zehenspitzen, ging Trjoschkin an der offenen Tür vorbei. Er winkte Efim mit beiden Händen zu, womit er zu verstehen geben wollte, der Hausherr möge keine Umstände machen, er finde selbst den Weg.
    »In Ordnung«, sagte Efim, »ich komme.«
    In Lukins Arbeitszimmer traf Efim außer Lukin selbst den Sekretär des Parteikomitees Samarin an, die Ausschußmitglieder Viktor Schubin und Viktor Tscherpakow, die Kritiker Bromberg und Soljonyj, Natalija Knysch und einen blonden Unbekannten mit einem sorgfältig gezogenen Seitenscheitel.
    Es dauerte eine Weile, bis Efim Karetnikow entdeckte. Er stand am Fenster in einem dunklen Import-Zweireiher, den Stern des Helden der Sozialistischen Arbeit, das Abgeordnetenabzeichen und die Preisträgermedaille am Revers. Seine rechte Hand lag in einer schwarzen Seidenschlinge, die er um den Hals trug, und der Daumen, fachmännisch, vielleicht ein wenig üppig verbunden, stand ab wie ein starrer Birkenast.
    Als Efim der vielen Menschen ansichtig wurde, geriet er in Verlegenheit. Nach dem Telefongespräch mit Lukin hatte er geglaubt, daß dieser ihn um ein Gespräch unter vier Augen bitte, und nun erwartete ihn ein wahrer Menschenauflauf. Ohne einen einzigen der Anwesenden anzusehen, ging Efim auf Lukins Schreibtisch zu und wollte gerade fragen, ob er hier oder im Korridor warten sollte, bis die Besucher sich verabschiedeten, als Lukin, wohl aus Angst, gebissen zu werden, mit beiden Händen abwinkte und hastig sagte: »Kommen Sie nicht näher! Das ist nicht nötig! Nehmen Sie dort Platz!« Und er wies auf den Stuhl vor einem kleinen abseits stehenden Tisch.
    Efim setzte sich. Alle schwiegen. Lukin schrieb eifrig. Karetnikow holte mit der linken Hand ein Päckchen Marlboro aus der Rocktasche, schüttelte es und zog mit den Zähnen eine Zigarette heraus. Dann brachte er auf dieselbe Weise eine Streichholzschachtel ans Tageslicht, klemmte diese mit der Behendigkeit eines erfahrenen Kriegsversehrten unter den rechten Ellenbogen und entzündete ein Streichholz. Auch Soljonyj und Bromberg steckten sich Zigaretten an. Der Blonde zog einen Kamm aus der Tasche und kämmte sich.
    Die Sekretärin kam herein, legte vor Lukin ein Schriftstück auf den Tisch und flüsterte ihm etwas zu, worauf Lukin laut antwortete: »Sagen Sie, daß es heute ausgeschlossen ist. Ich habe hier ein Personalverfahren.« Efim sah ihn verwundert an. Personalverfahren? Wenn es ihn, Efim, betreffen sollte, warum hatte ihm Lukin gestern am Telefon nichts gesagt ? Nun erst sah sich Efim nervös im Kreise um und bemerkte, daß die Anwesenden seinem Blick auswichen. Bromberg schlug die Augen nieder, Natalija Knysch wandte sich ab und errötete, Schubin manikürte sich die Fingernägel, und nur Tscherpakow musterte Efim herausfordernd und amüsiert. Sein Lieblingsstück »Viele gegen Einen« sollte gleich über die Bühne gehen.
    Tscherpakows Kollegen, die sich hier in Lukins Zimmer versammelt hatten, waren weniger blutrünstig und wären unter anderen Umständen niemals bereit gewesen, die zugewiesenen Rollen zu spielen, aber Natalija Knysch wollte ins Ausland reisen und benötigte ein Zeugnis, das sie niemals bekommen würde, wenn ihre Kooperationsbereitschaft zu wünschen übrig ließe.

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