Die Mütze
wird nicht mitkommen. Sie ist das Leben in der Metropole gewöhnt, und unter einem Marschall tut sie es nicht. Hure!« Er brüllte, sprang auf, ballte die Fäuste und trampelte mit den Füßen. »Hinaus aus meinem Zimmer!«
»Fimka!« Kukuscha geriet außer sich. »Komm zu dir! Du darfst nicht so reden!«
»Raus!« schrie Efim. »Raus! Du darfst mein Zimmer nicht betreten! Hier wohnen meine herrlichen Helden!«
Der Abend war hin.
Als Efim zu sich kam, stürzte er ins Schlafzimmer. Kukuscha lag bäuchlings quer über dem Bett und schluchzte herzzerreißend. Efim versuchte, sie aufzurichten und flehte um Vergebung. Sie stieß ihn von sich und lallte Zusammenhangloses. Um dies alles nicht hören zu müssen, schloß Tischka sich in seinem Zimmer ein und drehte voll auf, die Beatles oder etwas Ähnliches. Ab und zu verließ Efim seine Frau und schaltete in seinem Arbeitszimmer den Empfänger ein. Sämtliche Sender brachten Meldungen über den Schriftsteller Rachlin, aber keine traf zu. Sie wiederholten die Version vom Attentat und stellten ihn als überzeugten Zionisten, persönlichen Freund Sacharows und Opfer des Regimes dar. Efim fühlte sich geschmeichelt, obwohl er Sacharow nie im Leben gesehen hatte.
Das Telefon schrillte ununterbrochen. Baranow rief viermal an. Es riefen Sympathisanten, Bekannte und Unbekannte an. Es meldeten sich Korrespondenten der Associated Press und der Deutschen Presseagentur. Eine männliche Stimme sagte: »Sie kennen mich nicht, aber ich möchte Ihnen versichern, daß alle ehrlichen Menschen in Gedanken mit Ihnen sind.« Eine andere Stimme (vielleicht dieselbe?) kündigte fröhlich an: »Wir werden dich Judensau am Kopf beschneiden!«
Kukuscha hatte ihm verziehen, stürzte aber bald darauf wieder herein und fiel vor ihm auf die Knie: »Ich beschwöre dich bei deinen Kindern, gib nach! Geh zu Karetnikow, bitte ihn um Entschuldigung und sag ihm, du hättest im Affekt gehandelt!«
Efim sagte: »Um keinen Preis!« und warf sie, sobald sie zu insistieren begann, abermals aus dem Zimmer. Flehte gleich darauf wieder um Vergebung. Telefonierte. Hörte Radio.
Er schlief in seinem Arbeitszimmer auf dem kleinen Sofa, zog sich nicht aus und deckte sich mit einem Reiseplaid zu. Das Radio stellte er neben sich und wechselte suchend von Sender zu Sender. Diesmal bekam er die üblicherweise unerreichbare Liberty und eine Sendung in Englisch, aus der er einen einzigen, aber ihm besonders wichtigen Satz behielt: »Mr. Rachlin is a very courageous person«, d. h. »Mister Rachlin ist als außerordentlich mutiger Mann bekannt.« Das tat ihm gut.
Efim konnte lange nicht einschlafen, kratzte sich und dachte an den Ruhm, der ihm so plötzlich zuteil geworden war. Selbstverständlich würde er jetzt nicht mehr risikofrei leben können, aber dafür kannte ihn die ganze Welt.
Er war sehr spät eingeschlafen und wachte spät wieder auf. Kukuscha und Tischka waren bereits gegangen. Während er die Spiegeleier briet und den Kaffee kochte, wurde er einige Male angerufen. Dann kam ein Telegramm: »Stellung halten. Mitja ARZ.« ARZ bedeutete Ausrufezeichen, aber an einen Mitja konnte er sich beim besten Willen nicht erinnern.
Während er darüber nachdachte und an seinen Spiegeleiern kaute, kam der zu Tode erschrockene Fischkin vorbei.
»Fima, was tun Sie!« flüsterte er zischend. »Verstehen Sie, die Partei, das sind achtzehn Millionen Menschen ? Das ist eine Armee im Zustand allgemeiner Mobilmachung. Gegen wen erheben Sie die Hand ?«
»Solomon Jewsejewitsch«, entgegnete Efim, »was haben achtzehn Millionen mit mir zu tun ? Ich habe nichts gegen sie. Ich will nur eine Mütze, eine ganz normale Mütze, nur nicht Hauskater mittlerer Dichte, sondern wenigstens Kanin. Wie Baranow. Wobei Baranow eine unbekannte Größe ist.« Er überlegte einen Augenblick und lächelte selbstzufrieden. »Und ich bin ein weltbekannter Schriftsteller.«
»Sie sind ein weltbekannter Idiot!« Fischkin hob die Stimme. »Glauben Sie etwa, daß es auch nur das geringste bedeutet, wenn die Stimme Amerikas etwas über Sie bringt? Nichts bedeutet das, gar nichts! Wenn die sich Ihrer annehmen, wird Sie keine Stimme retten. Sie werden zerquetscht wie eine Wanze!«
»Sehen Sie«, Efim lächelte gezwungen, »einmal vergleichen Sie mich mit einem häßlichen Entlein, ein anderes Mal mit einer Wanze.«
Kaum war der Märchenerzähler gegangen, als es wieder klingelte. Efim unterdrückte einen Fluch und ging zur Tür. Er öffnete und fuhr
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